Von den Steinen.1 (Bruchstück.)

[145] In uralten Zeiten reiste ein Teufel nach Rußland in die Stadt Kowno auf die Hochzeit und nahm einen sehr großen Sack voll Steine mit, mit welchen er bei Kowno den Memelstrom ausfüllen wollte, in der Meinung, durch dieses Werk werde er allen Hochzeitsgästen eine große Ehre erweisen. Aber schon ein gutes Stück vor Insterburg bekam der Sack ein Loch und die Steine fielen heraus, ohne daß er es wuste, und fielen immer zu sachte heraus bis, als er nach Kowno gekommen war, der letzte heraus fiel; das war aber der gröste, und so groß wie ein mäßig großes Haus. Der Stein liegt noch dort am Memelufer und man kann noch sehr wol erkennen, wie er dem Teufel auf dem Rücken gelegen, denn der ganze Rücken und die Schultern hatten sich eingedrückt. Als nun der Teufel seinen Verlust merkte, ward er grimmig und kehrte ausspuckend sofort um. Der ganze Strich aber jenseit von Insterburg bis Kowno hat noch bis auf diesen Tag eine Menge von Steinen.

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Unter diesen Steinen hat man sich die in Litauen häufigen erratischen Blöcke zu denken.

Quelle:
Schleicher, August: Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder. Weimar: Böhlau, 1857, S. 146.
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