[54] 115. Das versunkene Schloß zu Holzem.

Auf der Südseite von Holzem ist ein Morast, genannt Fockenmoor. Vor vielen Jahren stand an dieser Stelle ein festes Schloß, das im Moor versunken ist. In diesem Schlosse wohnte ein Mann von ungewöhnlicher Stärke, welcher der Plagegeist der ganzen Gegend war. Niemand war vor seinen Mißhandlungen sicher. Da beschlossen die Leute der Umgegend, ihn zu verderben. In der Nähe des Schlosses war ein Tiergarten und in diesem ein Einhorn, ein großes Tier mit einem Horn auf der Stirn. Einige herzhafte Männer ließen nun im Augenblicke, wo der Schloßherr vor dem Schlosse stand und vielleicht auf irgendeine Grausamkeit sann, das Einhorn aus seinem Käfig. Wütend stürzte sich das Tier auf seinen Herrn los, der sich in die nahe Kapelle flüchtete und die Tür derselben schnell hinter sich zuzog und verriegelte. Das wütende Tier aber nahm einen solchen Anlauf gegen die Tür der Kapelle, daß es mit dem Horn in der Tür steckenblieb. So war der Schloßherr in der Kapelle eingesperrt und mußte elendiglich verhungern. Bald auch ereilte die Strafe sein ganzes Haus. Eines schönen Morgens war sein Schloß versunken, und an der Stelle ist jetzt ein Morast, den man Fockenmuor nennt.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 54.
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