[301] 689. Der Schloßbrunnen zu Fels.

Im dreizehnten Jahrhundert, so erzählt man, befand sich ein Ritter von Fels in Fehde mit den Tempelherren von Heringen; diese erspähten den Augenblick seiner Abwesenheit, um sich mit Hilfe eines Verräters während der Nacht der Burg zu bemächtigen. Um den grausamen Feinden zu entgehen, stürzte sich die Burgfrau mit ihrem Kind und der goldenen Wiege, worin es lag, in den tiefen Schloßbrunnen. Die Leichname sollen wieder heraufgezogen, der Verräter aber hineingestürzt worden sein; die goldene Wiege ist noch immer im Brunnen.

Unten im Brunnen befindet sich eine ganz in den Felsen eingehauene, geräumige Höhle, in welche die Herren von Fels während der Belagerungen, die sie zu verschiedenen Zeiten auszuhalten hatten, ihre Schätze verbargen. Vergebens hat man versucht, in diese Höhle einzudringen. Dort werden die Schätze von einem Drachen, jenem Verräter, bewacht, der mit seinem Hauche das Licht auslöscht, mit dem man die Dunkelheit erhellen will. Wer es wagen sollte, in diesem unterirdischen Labyrinth sich tastend zurechtzufinden, würde vom Drachen verschlungen werden.

Jedes Jahr, in der Nacht vor dem Gründonnerstag, erscheint um Mitternacht der Großmeister der Tempelherren, umgeben von seinen Rittern, auf den Trümmern der zerstörten Burg, und der im Zustand der Gnade sich befindende Christ kann sie dort einen luftigen Reigen tanzen sehen.


L'Evêque de la Basse Moûturie 282


Als zu Anfang dieses Jahrhunderts der Brunnen gereinigt werden sollte, erbot sich jemand, es unentgeltlich zu tun, falls er das Gefundene für sich behalten dürfe. Die goldene Wiege jedoch fand er nicht, nur einige verrostete Schießwaffen.

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 301.
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