118. Der Löwe im Wappen von Flandern.

[194] Ellies de Veert, Cronycke van Hollant, Zeelant etc. Fol. 93.


In dem Jahre unseres Herrn tausend einhundert und achtzig zog der Graf Philipp von Flandern mit dem Grafen Floris von Holland, welcher beider Mütter in der heiligen Stadt Jerusalem begraben lagen, mit großer Volksmacht aus den Niederlanden und über Spanien, Griechenland, Slavonien und Cypern nach dem gelobten Lande. Und als sie nach Cypern gekommen, vernahmen sie, daß die Könige von Slavonien und Cypern Heiden waren, und befahlen ihrem ganzen Heere, sich zu waffnen gegen diese Feinde des Christenglaubens. Als König Juwijn von Slavonien das vernahm, sandte er auf der Stelle eine Gesandtschaft an die Fürsten und ließ ein Zwiegespräch mit ihnen verlangen, und als ihm das gewährt wurde, da sprach er, er habe längst gewünscht, ein Christ zu werden, und danke Gott für die Gelegenheit, welche er nun gefunden habe, diesen so heißen Wunsch zu erfüllen; erbot sich auch, die Fürsten ins heilige Land und bis Accon zu geleiten, wo er ihnen freies Geleite bis zum Berge Sinai verschaffen wolle, aber in Accon müßten sie ihre Waffen lassen. Deß waren die Christenfürsten froh, und der König wurde alsbald getauft und Georg geheißen, indem gerade an dem Tage das Fest dieses Heiligen gefeiert wurde.

So zogen nun die Fürsten mit dem Könige von Slavonien fort und segelten nach Accon; und der König Ingelram von Accon und König Juwijn oder Georg[194] schrieben an den Sultan von Babylonien um frei Geleit für die Christenfürsten bis zu sechstausend Mann, um nach Jerusalem und zu dem Berge Sinai zu gehen, und der Sultan erlaubte das mit der Bedingung, daß sie als Pilgrimme und ungewaffnet kämen. So thaten sie auch, und als sie nach Jerusalem kamen, da empfing sie der Patriarch mit großen Ehren und führte sie an das Grab unseres Herrn und zu den anderen heiligen Stätten und zu den Gräbern ihrer Mütter, Frau Sibilla und Frau Sophia, und von da reisten sie nach dem Berge Sinai, um das Grab der heiligen Magd Katharina zu besuchen.

Als der König von Jerusalem, welcher Agyla hieß und ein Sarazene war, davon hörte, befahl er einem Bastardsohne seines Bruders, der sich Nobiliter nannte und König von Abilinen war, mit fünftausend gewaffneten Sarazenen die Christenfürsten bei der Rückkehr vom Sinai zu überfallen und todt zu schlagen. Solches wurden aber die Fürsten gewahr und sie gingen nicht auf den Jordan zu, sondern sie nahmen ihren Weg nach der Stadt Cäsaria, wo der Jordan entspringt, bei dem Berge Libanon vorbei. Als dieß dem Bastard hinterbracht wurde, gebot er seinem Heere auch, nach dem Libanon zu ziehen, damit es also den Christen vorkäme und ihnen den Weg abschneide, denn sonst entkämen sie nach Accon. Auch ließ er seinem Ohm sagen, er solle ihm mehr Volk senden und Waffen, denn die Christen hätten gleichfalls mehr Volk zusammen, und es wurden ihm alsbald noch zwölftausend Gewaffnete geschickt. Aber einen Tag vorher, ehe sie kamen, hatte der Bastard schon einen Streit gegen die Christen begonnen, ungefähr eine Meile von Cäsaria, als sie nach Accon ziehen wollten. Die Fürsten hatten ihm, als sie seine Meinung erkannten, einen Herold gesendet, um ihm zu melden, daß sie frei[195] Geleit hätten von dem Könige von Babylonien, aber der Bastard achtete nicht darauf, zerriß des Sultans Briefe und Siegel und tödtete den Boten mit eigener Hand. Als die Christen solches schauten, flehten sie zu Gott um Gnade und Sieg und stellten sich frommlich zur Wehr gegen die Sarazenen, und sie behielten auch die Oberhand, obwohl sie ungewaffnet waren, und da wurden bei dreitausend von den Sarazenen erschlagen und bei zweihundert von den Edelsten derselben gefangen genommen. Und Graf Philipp von Flandern schlug den Bastard mit eigener Hand todt und nahm ihm sein Wappen, welches ein goldener Schild war mit einem schwarzen, kletternden Löwen, und er behielt ihn fortan als Wappen und ließ sein altes Wappen mit den acht Geren von Lazur fahren, und die Grafen von Flandern tragen noch heutzutage diesen Löwen in ihrem Wappen.

Darnach nahmen die Christen die Waffen der Sarazenen und zogen die an und setzten ihren Weg nach Accon fort, führten auch die Gefangenen mit sich, damit dieselben dort die Wahrheit sagen könnten. Und nachdem sie noch manch harten Kampf im gelobten Lande gehabt, machten sie sich auf die Rückreise und wurden zu Hause mit vieler Freude empfangen.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 194-196.
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