124. Die Brille im Wappen von Audenaerde.

[201] Mündlich.


Kaiser Karl hatte einmal der Stadt Audenaerde ankündigen lassen, daß er durchkommen und bei der Gelegenheit die Stadt besehen wolle. Da machten die Bürger große Zurüstungen und sandten auch Leute auf die Thorthürme, um zu spähen, wann der Kaiser komme. Aber die Wächter gaben schlecht Acht und der Kaiser war in der Stadt, ohne daß sie etwas davon gemerkt oder den Bürgern gesagt hätten. Da fragte Kaiser Karl den Bürgermeister, warum er ihn denn nicht am Thore empfangen habe, wie das sich gebühre und Art und Weise sei. Da sprach der Bürgermeister: »Gnädiger Herr Kaiser, ich kann nicht gut sehen.« – »Dem wollen wir abhelfen«, antwortete Kaiser Karl, »ich gebe euch von heute an eine Brille in euer Wappen, und dabei sollet ihr gedenken, daß ihr künftig stets eine Brille auf eure Nase setzet, wenn ihr zuschauen wollt, wann euer Herr und Kaiser kommt.«

Die Brille sieht man noch heutzutage im Wappen der Stadt.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 201.
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