[218] 132. Der Freitagmarktkeller zu Werwick.

Mündlich von F. Blieck.


Unter der großen Kirche von Werwick ist ein Keller, und in diesem sieht man eine Thüre, welche in einen zweiten führt, der unter dem Freitagmarkte herführt. Diese Thüre ist nun zugemauert, und über den Keller, welcher ehmals eine Freistätte war, geht folgende Sage.

Vor langer, langer Zeit war Werwick einmal belagert. Die Besatzung wehrte sich lange; als sie dieß nicht mehr vermochte, da machte sie einen Ausfall, wurde aber zurückgeschlagen und von den Feinden verfolgt. Es war ein Edelherr mit vielen andern Edeln, welche unter ihm standen, und weil sie wußten, daß der Keller in der Kirche eine Freistätte war, so wollten sie sich dahin retten. Dieß konnten sie aber nicht mehr, in der Kirche wurden sie schon gefangen genommen und geknebelt.

Der feindliche Anführer ließ nun die Geistlichen der Stadt zu sich entbieten und befahl ihnen, den Gefangenen ein Todtenamt zu halten. Dieß geschah, und die armen Edelleute standen dabei und mußten zusehen und dulden,[218] wie die Messe für sie, gleichwie für Verstorbene, gelesen, wie Weihwasser über sie gesprengt und drei Schaufeln Erde auf sie geworfen wurden. Als dieß alles geschehen war, da mußten die Geistlichen einen Zug bilden, wie einen Leichenzug, und die Gefangenen wurden nach dem Keller geführt, der ein Asyl war, und hineingeworfen und festgeschlossen an die Mauern. Dann bekamen sie jeder ein Krüglein Wasser und ein Brot, und der Eingang des Kellers wurde vermauert, wie sehr sie auch baten und flehten.

Bis heute noch ist man nicht so kühn gewesen, die Thüre zu erbrechen. Auch spukt es in dem Keller häufig, und an einem Loche, welches von demselben ausführt und am Wasser mündet, hat man häufig Lichtchen und Thierköpfe in den fürchterlichsten Gestalten gesehen.

Die Kinder gehen oft an die Fenster des großen Kellers und rufen:


Baron, Baron,

Wilt gy my grypen,

Grypt my nou.


(Baron, Baron, willst du mich greifen, greif mich nun!)

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 218-219.
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