161. Die Kapelle des heiligen Grabes zu Brügge.

[258] Mündlich.


Ein Ritter in Brügge war von einer schweren Krankheit heimgesucht und that in derselben das Gelübde, daß er, würde er gesunden, eine Wallfahrt nach dem heiligen Grabe thun und nach seiner Rückkehr in seiner Vaterstadt eine Kapelle bauen wolle, die der des Grabes Christi in Jerusalem ganz gleich sein müsse. Er erlangte bald seine Gesundheit wieder und trat gleich darauf seine Pilgerfahrt an, ließ in Jerusalem einen Plan der genannten Kapelle fertigen, zählte alle Steine, welche zu ihrem Baue verwendet waren, und baute in Brügge eine ähnliche. Schon war das fromme Werk vollendet und nur die Thüren fehlten noch, als er sich erinnerte, daß er die Nägel an den Thüren in Jerusalem nicht gezählt hatte. Er begab sich also mit seiner Frau zum andern Male auf die Reise, erkrankte jedoch in Jerusalem und starb daselbst. Seine Frau trug die theure Leiche mit sich zurück und ließ sie in der Kapelle begraben und alsdann auch die Thüren anfertigen.

Diese Kapelle stehet noch heute in ihrem alten Glanze da und ist das Ziel mancher Wallfahrt.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 258.
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