[4] 2. Die heilige Fahne und die stählerne Krone.

[4] Suffridi Petri de Frisiorum antiquit. et orig., Col. Agr. 1590.

Smallegange Cronyk van Zeelant. p. 76. u. 77.

Oudheden en Gestichten van Vriesland. p. 48. u.s.w.


Friso, der Stammvater des friesischen Volkes, hatte aus fernen Landen, von woher er gekommen war, zwei theure Güter mitgebracht, welchen zugleich wunderbare Kräfte beiwohnten. Er hatte diese von seinem Vater empfangen und dieser sie wieder von seinem Vater, also daß sie als ein werther Schatz sich lange von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt hatten. Dieß waren nämlich eine stählerne Krone und eine kostbare rothe Fahne. Beide wurden in Frießland lange nachher noch im Tempel der Göttin Tamfana aufbewahrt, bis endlich ein König von Dänemark die erste, nämlich die stählerne Krone, den Friesen raubte und mit sich nahm nach seinem Lande.

Die Fahne aber bekam er nicht, denn diese hatten die Friesen klüglich tief in die Erde vergraben, und nachdem der Dänenkönig wieder weg war, blieb sie dort auch liegen viel hundert Jahre lang.

Als nun der heilige Wilibrord nach Friesenland kam, um den christlichen Glauben dort zu predigen, da sandte ihm Gott im Traume einen Engel, welcher ihm die Stelle anzeigte, wo die heilige Fahne vergraben lag. Der fromme Bischof begab sich mit den Ersten des Volkes dorthin, man grub tief, tief, bis man die Fahne fand, und Sankt Wilibrord schenkte sie dem gewaltigen Magnus Forteman, welcher zu der Zeit Frießland regierte.

Anno achthundert und neun hatte Kaiser Karl der Große ein großes Heer versammelt, mit welchem er gegen die aufrührerischen Römer zu Felde zog und Magnus Forteman schaarte sich mit seinen Friesen und der heiligen Fahne freiwillig zu ihm. Als der Kaiser bis auf[5] eine Tagereise Rom nahe gekommen war, ließ er sein Heer ruhen und sich erfrischen. Dieses vernahmen die Römer nicht sobald, als sie aus der Stadt zogen, um den Kaiser zu überfallen. Die Friesen, davon hörend, eilten unter Forteman, der die heilige Fahne selbst führte, alsbald heimlich aus dem Lager und den Römern entgegen, welche sie nach einem blutigen Kampfe gänzlich besiegten. Den Flüchtlingen setzten sie also schnell nach, daß sie mit denselben in die Stadt drangen, diese überwältigten und das geweihte Banner siegreich auf der Engelsburg aufpflanzten.

Deß erwarben die tapfern Friesen großen Dank und viele Freiheiten und Privilegien von Kaiser Karl, der sogar ihre Schilde mit Silber und rothem Golde beschlagen ließ. Was aber weiter aus der heiligen Fahne geworden, darüber schweigt die Sage.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 4-6.
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