93. Heinrich das Kind von Brabant.

[142] Thüringische Volkssage.

Thüring. Chronik in Senkenbergs Sel. III, 330.

Spangenberg, Sächs. Chronik. Frankfurt 1585. S. 446.

Bange, Thüring. Chronik. Fol. 99. 100.

Winkelmann, Hess. Chronik. S. 286. 287.

Rohte's Chronik bei Menken. 1738–1742.

Grimm, Deutsche Sagen. I, S. 348.


Als nach Landgrafen und Königs Heinrich Tode der thüringisch-hessische Mannsstamm erloschen war, entspann sich ein langer Zwiespalt um die Erbschaft, wodurch zuletzt Thüringen und Hessen von einander gerissen wurde. Alle Hessen und auch viele Thüringer erklärten sich für Sophien, Tochter der heiligen Elisabeth und vermählte Herzogin in Brabant, deren unmündigen Sohn, genannt Heinrich das Kind (geb. 1244), sie für ihren wahren Herrn erkannten. Der Markgraf von Meißen hingegen sprach das Land an, weil es aus König Heinrichs Munde, dessen Schwestersohn er war, erstorben wäre, und überfiel Thüringen mit Heereskraft. Damals war allenthalben Krieg und Raub im Lande, und als der Markgraf Eisenach eroberte, soll er, der Volkssage zufolge, einen Mann, der es mit dem hessischen Theil gehalten, von dem Felsen der Wartburg haben herabschleudern lassen, dieser aber in der Luft noch laut ausgerufen haben: »Thüringen gehört doch dem Kinde von Brabant!«

Sophie zog aus Hessen vor Eisenach; da man die Thore verschlossen und sie nicht einlassen wollte, nahm[142] sie eine Axt und hieb in Sankt Jörgen-Thor, daß man das Wahrzeichen zweihundert Jahre hernach noch in dem Eichenholz sah.

Die Chroniken erzählen, jener Mann sei ein Bürger aus Eisenach, Namens Walszeche, gewesen; und weil er den Meißnern nicht huldigen wollen, zweimal mit der Blide über die Burgmauer in die Stadt geworfen worden, aber unverletzt geblieben. Als er immer standhaft bei seiner Aussage verharrte, wurde er zum dritten Male hinabgeschleudert und verlor sein Leben.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 142-143.
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