99. Das Adrians-Collegium in Löwen.

[149] Mündlich von Piot.


Als Pabst Adrian der Sechste, welcher ein Belgier von Geburt war, in Löwen studirte, war er ein gar armer Mensch und hatte selbst nicht einmal Geld, um sich Oel oder ein Kerzlein zu kaufen, bei dessen Licht er Abends seine Schularbeiten hätte machen können. Er suchte darum gewöhnlich einen hellerleuchteten Krämerladen auf und setzte sich davor auf die Straße hin und schrieb auf seinen Knieen. Oder er ging auch in die Kirche der heiligen Margarita und benutzte dort den düstern Schein des stillen Gotteslämpchens. Dabei war er aber immer frohen Muthes und tröstete sich, das werde alles noch einmal anders werden, wenn er erst geistlich geworden wäre.

Eines Abends kam er aus der Kirche, und wie er nun so durch die Straßen schritt, gedachte er, es sei doch jämmerlich, also sein Thema schreiben zu müssen. Doch wurde er bald wieder munteren Muthes und warf sein Mützchen hoch in die Luft und sprach: »Flieg, Mützchen, flieg! Wenn ich einmal Pabst werde, dann bau ich hier ein Collegium für arme Studenten, und das soll gerade so hoch werden, als du fliegst.«

Gewiß dachte der fromme Schüler nicht daran, daß die Tiara wirklich sein Haupt noch decken sollte. Als dieß aber geschehen, da erinnerte er sich auch bald seines Gelübdes und erfüllte es getreulich. Das Collegium, welches er da bauen ließ, bestehet noch und heißet nach ihm noch heute das Adrians-Collegium.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 149-150.
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