Der Hexenmeister und sein Lehrling.

[64] Ein armes Weib ging einst durch einen dunklen Wald und führte ihr kleines Söhnlein an der Hand. Sie weinte, indem sie so ging, denn sie hatte nicht Geld genug, um ihre vielen Kinder ordentlich zu ernähren und zu erziehen. Da erhob sich plötzlich ein Mann, der unter einer Eiche gesessen hatte, und als er die Tränen des armen Weibes sah, fragte er sie nach der Ursache. Sie erzählte ihm nun ihren Kummer. Der Unbekannte tröstete sie und sagte, er sei ein Schneider. Das war aber eine Lüge, denn er war ein Hexenmeister.

Er nahm den Knaben bei der Hand, führte ihn in seine Höhle und versprach der Mutter, ihn schon nach drei Jahren loszusprechen. Erfreut ging nun das Weib nach Hause, der kleine Hans aber fing an die schwarze Kunst zu lernen, und bald konnte er mehr als sein Meister.

Als drei Jahre um waren, lief er heimlich aus der Höhle des Zaubrers fort und traf seine Mutter auf der grünen Wiese. Die gute Mutter weinte Freudentränen, als sie sah, wie ihr Sohn so groß und stark geworden war. Der Bursche aber sprach zu ihr: »Nun habe ich[64] drei Jahre gelernt, jetzt müßt Ihr zum Meister kommen und fordern, daß er mich losspricht. Er wird Euch eine ganze Menge Tauben zeigen, das sind die verzauberten jungen Burschen, die er in die Lehre genommen hat. Wenn er dann den Tauben Erbsen vorstreut, müßt Ihr darauf achtgeben, welche unter ihnen garnicht frißt, sondern immer vor Freuden mit den Flügeln schlägt: das wird Euer Söhnchen sein.«

Die Mutter ging zum Hexenmeister und verlangte ihren Sohn zurück. Der Alte nahm eine kupferne Trompete und blies nach allen vier Weltgegenden hin. Sogleich kamen viele Tauben herbei. Alle fraßen von den hingestreuten Erbsen, und die Mutter sollte ihren Sohn aus der Schar herausfinden. Sie zeigte auf die eine, die nur immer freudig umhersprang und mit den Flügeln schlug. Das war richtig ihr Sohn, und sie nahm ihn mit nach Hause.

Der Vater des Burschen war ein Schuhflicker und lebte mit seiner zahlreichen Familie in größtem Elend. Zu ihm sprach Hans: »Ich will Euch schon reich machen, aber auf einmal geht das nicht. Ich verwandle mich in eine Kuh, in einen Ochsen und in ein Schaf; Ihr verkauft mich auf dem Markte und bekommt ein hübsches Stück Geld für mich. Nur in ein Pferd dürft Ihr mich nicht verwünschen, denn sonst gibt es ein Unglück.« Der Schuhflicker verwünschte also seinen Sohn zuerst in einen Ochsen, dann in eine Kuh, dann in ein Schaf, – und immer macht' er einen guten Handel. Er konnte sich ein neues Häuschen bauen und brauchte keinen Hunger mehr zu leiden. Doch ließ er sich von seiner Habsucht verführen, den Sohn auch in ein Pferd zu verwünschen. Auf dem Markte wartete schon der[65] Hexenmeister und kaufte das Pferd. Nun war der arme Hans wieder in der Gewalt des Zauberers. Er führte ihn in seinen Stall, band ihn an eine Kette, ließ ihn hungern und schlug ihn jämmerlich mit der Peische. Da erbarmte sich seiner die Magd und machte ihn von der Kette los. Hans verwandelte sich in seine natürliche Gestalt, dankte dem Mädchen herzlich und flog aus Furcht vor seinem Meister als Sperling auf das Dach.

Der Zaubrer bemerkte die Flucht und erkannte den Burschen in der Sperlingsgestalt. Er verwandelte sich also sofort in eine schwarze Krähe und verfolgte das arme Vögelchen. Es fiel endlich erschöpft im königlichen Garten nieder, über ihm flatterte schon die wütende Krähe mit geöffnetem Schnabel. Hans verwandelte sich in einen Zaunkönig, – und der Hexenmeister sogleich in einen Sperling. Die Jagd aber dauerte fort mit derselben Erbitterung.

Zu derselben Zeit ging die Prinzessin im Garten spazieren, und da sie diesen Kampf bemerkte, dachte sie bei sich selbst: »Du lieber Gott, was ist doch unter diesen kleinen Tierchen für eine Feindschaft! Alles führt doch Krieg auf dieser Welt!«

Da nun Hans schon ganz müde war und vor dem wütenden Feinde nicht mehr fliehen konnte, verwandelte er sich in einen schönen Ring und sprang auf den Finger der Prinzessin. Kaum war die Prinzessin in ihr Zimmer gekommen, so erblickte sie voll Verwunderung den schönen Ring, und siehe da, in demselben Augenblick verwandelte sich dieser in den schmucken Hans. Er erzählte ihr sein Leid und warnte sie vor dem Zauberer, der gewiß bald kommen und den Ring verlangen werde.[66]

Am folgenden Tage kam der Hexenmeister, als Prinz verkleidet. Als man ihn der Prinzessin vorstellte, bat er sie sogleich, ihm den Ring zu zeigen. Die Prinzessin aber hatte den Hans liebgewonnen und wollte dem Hexenmeister nicht einmal die Hand mit dem Ringe zum Kusse reichen. Als er sie aber immer dringender bat, ließ sie den Ring auf die Erde fallen. Nun entstand aus dem Ringe eine Menge von Erbsen. Der Zauberer blies auf seiner kupfernen Trompete nach allen vier Weltgegenden hin, und ein ganzer Schwarm Tauben flog herbei, um die Erbsen aufzupicken. Nur ein Erbsenkorn schob sich in die weiße Hand der Prinzessin. Sie warf es auf die Erde, und aus der Erbse wurde eine ganze Menge kleiner Mohnkörner. Da blies der Zauberer wieder mit seiner Trompete nach allen vier Weltgegenden hin, und es kam eine große Menge Sperlinge zusammengeflogen, und damit der Mohn schneller aufgefressen werde, verwandelte sich der Zauberer selbst in einen solchen Vogel.

Darauf hatte Hans nur gewartet. Sogleich machte er sich zur Krähe, biß den bösen Hexenmeister tot, und seinen Körper trug er stückweise nach allen vier Weltgegenden hin, damit er nie wieder zusammenwachse.

Die Prinzessin wählte sich den schmucken Hans zum Gatten. Man hielt ein prächtiges Hochzeitsmahl. Dort wurde gegessen und gezecht bis in die späte Nacht. Auch ich war da und aß und trank soviel, daß mir's am Kinn heruntertröpfelte. Aber – seht her! – jetzt ist der Mund ganz leer.1

1

Den Schluß dieser Geschichte hab ich Wort für Wort so aufgezeichnet, wie ich ihn vom Erzähler gehört habe. Es gibt noch wunderlichere Schlüsse dieser Art, und ich will einen hersetzen, den eine in ihrer Umgebung sehr beliebte Erzählerin jedesmal anzuwenden pflegte:

»Auch ich war dort und aß und trank nach Herzenslust. Alles floß am Kinn herunter, und nichts blieb mir im Halse stecken. Mein Putz war ganz vorzüglich schön: ich hatte ein Kleid von Papier an, gläserne Schuhe und einen Kopfputz von Butter. Da nahm mich ein ungeschickter Tolpatsch zum Tanze und zerbrach mir die Schuhe; in der Hitze zerschmolz der Kopfputz, und das Kleid wurde zerrissen. Ich selber wurde krank. Man warf mich auf den Mist, lud mich in eine Kanone zur Feier des Tages, dann schoß man los – uns schoß mich gerade so, daß ich nun bei Euch sitze.«

Quelle:
Volkssagen und Märchen aus Polen von K. W. Woycicki. Breslau: Verlag von Priebatschs Buchhandlung, 1920, S. 64-67.
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