42. Begräbniß und Grabstätte der Freiherren von Vaz.

[102] Der in rätischen Gauen theils hochgeachtete, theils gefürchtete, immerhin aber berühmte Freiherr Donat von Vaz, starb, als der Letzte seines Geschlechtes, 1333, und hinterließ zwei Töchtern, Kunigunde und Ursala, Gemahlinnen des Grafen Friedrich von Toggenburg und des Grafen Rudolf von Werdenberg, auch einen Sohn, Namens Joh. Donatus, der aber als Mönch im Kloster Pfäfers 1395 ohne Nachkommen diese Welt verließ.

Die Sage meldet: Der mächtige Donatus wurde in der Burg Castilion begraben; aber dort sollte seine Ruhestätte nicht sein. Jede Nacht stand er auf und beunruhigte die Bewohner des Schlosses und der Umgegend. Es wurden mancherlei Maßregeln getroffen, um seinen Geist zu beruhigen, aber Alles vergebens.[102]

Nun wurde der Sarg ausgegraben, auf einen ganz neuen Wagen geladen, der mit zwei »Mesen«, die noch nie ein Joch getragen, bespannt ward, und den Thieren freien Zug gestattet. Da, wo die Thiere von selbsten anhalten würden, sollte der Freiherr seine Ruhe finden. Die Mesen nun suchten der ungewohnten Last ledig zu werden und rannten den Weg bergan, der Lenzer-Heide zu, dann über den Sattel nach Parpan hinab und hielten erschöpft (doch Wagen und Sarg, darin der Freiherr lag, in unbeschadetem Zustande) vor der Klosterkirche zu Curwalden stille. Dort wurde er begraben; man holte des Edeln Schild, Helm und Schwert von Castilion her und gab sie ihm in's Grab. –


Nach dem Tode des Freiherrn Donatus kamen dessen Güter unter die Verwaltung von Vögten, deren Einer ein rauher und eroberungssüchtiger Geselle war, welcher aber eines gewaltsamen Todes starb. Längst schon lüstern auf ein Paar schöne Ochsen eines seiner Zinsbauern, fand er aber schlechterdings niemals Grund, Dieselben sich anzueignen, bis er einstmals den Bauer am Pflügen antraf und der stattliche Zug Ochsen auf's Neue seine Habsucht weckte. Roh, wie er war, gebot er im Zorne dem Bauern, die Ochsen auszuspannen und sie ihm in den Schloßstall zu stellen. Anscheinend gehorchend, bat der Bauer den Schloßvogt, die Thiere selbst loszukeilen und wegzunehmen. Der Vogt, im Uebermaße der Freude, daß der Unterthane sich so gefügig zeigte, fand es wohl der Mühe werth, die Thiere auszuspannen; der Bauer, als wollte er ihm helfen, zog den eisernen Zugnagel am Pfluge und warf Denselben dem Vogte auf den Kopf, worauf der Unhold fiel und die bedrängten Saßen vom letzten Vogte der vazischen Freiherren befreit waren.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 102-103.
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