Vorwort.

Als vergangenes Jahr der erste Theil des »Volksthümlichen aus Graubünden« der Oeffentlichkeit übergeben wurde, glaubte der Herausgeber kaum, daß seine Sammlung so günstig aufgenommen und so freundlich beurtheilt würde, wie dieß seither wirklich geschehen.

Da nun sowohl das Volk, dem dieser Sagenschatz angehört, als ein weiteres Publikum sich so lebhaft um die Sache interessirt, daß in kürzerer Zeit eine zweite Auflage des ersten Theiles erscheinen wird, so übergiebt der Verfasser diesen zweiten Theil mit Zuversicht der Oeffentlichkeit.

Es schließt sich derselbe stofflich auf's Innigste an den ersten Theil an.

Zu den Sagen vom wüthenden Heere, Todten- und Nachtvolk, weißen Frauen, Doggi, Fänggen, Butzen und Hexen, fügt der vorliegende zweite Theil eine bedeutende Anzahl ähnlicher Stoffe, von denen einige vermöge ihres tiefen Gehaltes ihre poetische Bearbeitung in Form von Balladen und Romanzen gefunden haben.

Daran knüpft sich ein Kreis ebenso anziehender als tiefsinniger Alpen-, Bergwerks- und Burg- Sagen, und es schließt der zweite Theil mit einer kleinen Sammlung im Volke gehender Schwänke und Märchen.

Das für geschichtliche und sprachliche Forschungen Schätze bergende Bünden, bis vor Kurzem abgelegen von den Alles nivellirenden Strömungen der Neuzeit, ist so reich an Volksthümlichem aller Art, daß auch mit diesem zweiten Theile die Sammlung keineswegs geschlossen werden kann, sondern der stets von Neuem sich ansammelnde Stoff, voll des urwüchsigsten Lebens, wenigstens eine dritte Lieferung nöthig macht.

Der im ersten Theile in Aussicht gestellte Anhang von Gebräuchen und Kinderspielen, durch meinen verehrl. Mitsammler, Herrn Caspar Decurtins bearbeitet, wird selbstständig erscheinen, und Sitten und Gebräuche, Kinder-Reime, Kinder- und Volks-Spiele, Volks-Meinungen und Aberglauben, Stein-, Pflanzen- und Quellen-Cultus, Reimsprüche und romanische Volkslieder im Urtexte behandeln.


St. Gallen, im September 1875.

Der Verfasser.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986).
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