Das Todtenvolk in der Alpe Novai.

[5] Wenn Jemand im Herbste in der Alpe Novai, nachdem das Vieh von der Alpe heimwärts gezogen, in gewissen Nächten übernachte, so sehe er einen Mann aus dem Käsekeller der Alphütte heraufkommen mit Sennenlederkappe und aufgestülpten Hemdärmeln. Der Mann zündet dann Feuer auf dem Herde an, und schaue »grausam laid« drein, bis es zwölf Uhr schlage, dann beginne es draußen vor der Hütte sich zu regen und zu versammeln, das sei das Todtenvolk; das singe dann dem Sennen ein Lied nach, das wie ein Psalm töne, und ziehe in langer Reihe langsam und singend thalab, in eines der Dörfer, einen »Neuen« (Todesgeweihten) zu holen vor Tagesanbruch, wo Alles wieder zerstiebe.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 5-6.
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