Der Geist am Crap Saßlatsch.

[48] Der Bach Sagliaints bildet die Grenzmarche zwischen Lavin und Süß. Die Volkssage erzählt: Es sei einst diese Grenzmarche zum Vortheil der Laviner dadurch bis zum Felsenvorsprunge Crap Saßlatsch vorgeschoben worden, daß ein Mann den in Sagliaints ausgegrabenen Grenzstein dorthin versetzt und hierauf ein richterliches Erkenntniß das streitige Gebiet den Lavinern zugesprochen habe. Einige Zeit nachher sei dieser Mann gestorben und habe am Crap Saßlatsch als Geist umgehen müssen, wobei er beständig gerufen: »Wo soll ich ihn hinsetzen?« Das habe so viele Jahre lang gedauert, bis daß ein Vorübergehender dem Gespenste erwiederte: »Setze ihn in Gottes Namen wieder hin, wo du ihn hergeholt hast.« Da habe der Geist sich bedankt, den Stein an die alte Stelle gesetzt, und auf dieses Zeugniß sei die alte Grenze wieder hergestellt worden.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 48-49.
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