Der Hexentanz auf Schuders.

[73] In Schuders war einmal ein Knabe, den seine Eltern, geizige Leute, nie zur Gesellschaft junger Leute lassen wollten.

Er ging dennoch eines Abends heimlich ins Nachbarhaus, wo es lustig her ging. Man saß fröhlich bei einem Glase Wein, tanzte und war guter Dinge. Der Junge hatte seine Freude daran und wünschte, auch tanzen zu können. – Er verließ bald die Gesellschaft, denn er mußte gehen, um das Vieh zu füttern.

Während er so allein war, dachte er immer und immer wieder, wenn ich doch nur auch tanzen könnte; so sann er hin und her, wie er das erlernen könnte, ohne daß es »Spesen« machte, und sann nach, bis es Zeit war heimzukehren.

Eben war er im Begriffe, den Stall zu verlassen, so begegnete ihm unter der Thüre ein altes Männlein, das auf die Frage, wo es noch so spät hin wolle, sagte, daß es zu einem Tanze gehe, ob er auch mit wolle?

»Das wäre mir schon recht, wenn ich nur dürfte und auch selber tanzen könnte.«

»Komm nur mit, ich will es dir zeigen«, erwiderte der Fremde, »du sollst der beste Tänzer und Geiger werden weit und breit.«

Der Bube nahm den Vorschlag freudig an, folgte dem Fremden und bald kamen sie zusammen an ein Dorngebüsch. Der Alte trat in dasselbe, der Junge folgte, und alsbald war kein Dorngebüsch mehr zu sehen, – nein, sie befanden sich plötzlich in einem prächtigen, hellerleuchteten Saale.[73]

Der Knabe wollte seinen Begleiter fragen, wie das so gekommen sei; aber nun war auch derselbe nicht mehr zu sehen, weßhalb es dem guten Jungen anfing unheimlich zu werden im schönen Saale, und er wieder fort wollte; aber da war nun selbst von Ausgangsthüre keine Spur mehr zu finden. – So blieb er, wohl oder übel, und dachte: »Machst also mit, ›wenn d' glich nüt kannst‹, fing an, für sich zu hüpfen, als die schöne Musik wieder anfing.«

Da kam eine kleine, geschmeidige Hexe auf ihn zugesprungen, die faßte ihn, und da mußte er mit und war auf einmal ein Mustertänzer. – So tanzte er mit der geschwinden Hexe lange, lange, bis diese ihn zu einem Feuer führte, das großmächtig mitten im Saale brannte.

Dort nahm sie ein brennendes Scheit, gab es dem Jungen, löste einen Span von einem andern Scheite, gab ihm auch den; dann rupfte sie ein langes Haar aus dem Kopfe und reichte ihm auch das. »Jetz geige du, der Andre ist müde.« Der Junge setzte sein Scheit an; aus dem Span und dem Haare wurde der Geigenbogen; – er fing an zu spielen und spielte so schön und so gut, noch besser, als der Andre.

So gings eine lange Zeit, bis er vor Freude am Tanzen und Spielen umfiel und nicht mehr erwachte, als am hellen Morgen, da lag er in der Mitte des Dorngebüsches und konnte nicht heraus. Erst nach Langem gingen Leute vorbei, die ihn von den Dornen lösten. Er langte nach der Geige, die er in der Tasche hatte, um den Leuten Eins von seiner Kunst zu zeigen; – statt der Geige zog er einen – Katzenschwanz hervor. – Das verwirrte ihn so, daß er von Stund an zeitweise irrsinnig wurde.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 73-74.
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