Der pfiffige Waldfängge.

[28] Ein anderer Waldfängge bei Conters hütete einst einen ganzen Sommer die Ziegen des Dorfes. Jeden Morgen kam der wilde Geißler bis nahe an die Häuser, um die Thiere abzuholen, und jeden Abend führte er sie bis zu der gleichen Stelle und kehrte dann wieder in den Wald zurück. Die Burschen von Conters versuchten öfters, aber vergebens, ihn zu fangen. Endlich kamen sie auf einen eigenen Gedanken und füllten zwei Brunnentröge, aus denen er zu trinken pflegte, den einen mit Wein, den andern mit Branntwein. Der Geißler kostete zuerst das Rothe (den Wein) und rief: »Rötheli, du verführst mi net,« und labte sich am Weißen (dem Branntwein). In der darauffolgenden Berauschung ward er geknebelt, und seine Peiniger, denen eine alte Sage bekannt war, die Fänggen wüßten aus der entziegerten Molke (Schotte) Gold oder das Lebenselixir zu bereiten, wollten ihn nicht eher freigeben, bis er ihnen ein Arcanum[28] entdeckt habe. Er versprach ihnen, wenn sie ihn losbänden, einen recht guten Rath. – Er wurde freigelassen, und da gab er ihnen den Rath:


»Ist 's Wetter gut, so nimm de Tschôpa mit,

Ist's aber leid, chanst thuen, wie d'witt.«

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 28-29.
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