Die Bauersfrau als Hexe.

[69] Ein Bauer zu Trons, der das mitten im Walde liegende Mayensäß, »la Cavrida« genannt, besaß, ließ das Vieh dort durch einen Knecht besorgen, der ging zu diesem Zwecke jeden Abend hin und kam jeden Morgen wieder heim ins Dorf.

Nun kam dieser Knecht eines Morgens nicht mehr zurück, weßhalb der Bauer einen zweiten hinauf sandte, zu schauen, wo er geblieben sei, ob vielleicht ihm etwas fehle. Der zweite kam auch nicht zurück und so wurde dem Bauer die Sache unheimlich. Selbst hinauf zu gehen wagte er nicht, er war ein Hasenfuß, und lange Stunden vergingen, bis Jemand sich fand, der nach Cavrida sich wagen durfte,[69] bis endlich am Abend ein alter Soldat durch schönes Geld bewogen wurde, den Weg zu machen, nachzusehen, wo die zwei Knechte seien, und droben das Vieh zu besorgen; aber einen Sabel nahm er doch mit, das ist Soldatenbrauch.

Er kam also nach Cavrida, suchte die zwei Vermißten, die er im Stalle erwürgt fand, fütterte, melkte und tränkte am Abend das Vieh.

Wie er aber noch einen Wisch Heu holen wollte, sprang aus der »Fenile« eine riesige schwarze Katze gerade auf ihn zu, kletterte an ihm herauf, der Gurgel zu. Es war ihr aber nicht bekannt, daß ein Soldat den Säbel immer bei sich tragen muß.

Der Sohn des Vaterlandes zog nun, als er so unvermuthet sich gewürgt sah, so gut es in der Bestürzung ging, die Waffe, erwischte die Schwarze bei einer Hinterpfote, und es gelang ihm, diese zwar nicht abzuschlagen, doch arg zu beschädigen, und siehe da, handkehrum war das Ungethüm nicht mehr zu sehen, auch nirgends zu finden. Von da an blieb er ungeschoren.

Wie am Abend, so verrichtete er auch am Morgen sein Geschäft, und kehrte nach dem Dorfe zurück. Zu Hause erzählte er das Erlebte, und vernahm dagegen, daß inzwischen die Hausfrau stark gefallen sei und den einen Fuß gebrochen habe.

Jetzt wußte der Soldat mehr als sein Meister, schwieg aber, der Frau zu lieb. Die ward ihm dadurch so gewogen, daß sie ihn im Alter mütterlich besorgte, und auch der Bauer war ihm dankbar, daß er ihm einen so großen Dienst erwiesen hatte, und ließ ihm derohalben manch gutes Bröcklein zukommen.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 69-70.
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