Die Kunst »aus Schotte Gold zu machen«

[21] In einer Alpe im Prätigau lebte einmal ein Fänggenmannli mit dem Senn auf sehr vertrautem Fuße und empfing von demselben gar mancherlei Geschenke und Gaben. Um dem Sennen für die empfangenen Wohlthaten dankbar sich zu erzeigen, sagte es einmal zu ihm: heute soll er es käsen lassen und soll ihm zuschauen, aber dabei kein Wort sprechen, bis es fertig sei. Der Senne ging den Vorschlag ein, setzte sich auf einen Melkstuhl und schaute dem Mannli zu. Dieses machte Alles in der Ordnung und zuletzt, als es nach der Meinung des Sennen fertig war, stellte es den Kessel mit der Schotte wieder über das Feuer und schickte sich an, von Neuem zu manipuliren. Nun aber fing der Senne überlaut an zu lachen und über das Mannli zu spotten, daß es aus der Schotte noch einmal käsen wolle. Da legte das Mannli die Kelle bei Seite und sagte:


»Wenn d'nüt weißt

So seist« –


und eilte fort und ließ sich nicht wieder sehen. Hätte der Senne geschwiegen, wie er versprochen, so hätte er sehen und lernen können, wie das Mannli aus der Schotte eitel Gold bereitete.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 21.
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