Die weiße Frau auf Obersaxen.

[10] Einem armen Manne, der in später Stunde am Weihnachtsabende vom Mayerhofe nach St. Martin heimwärts gehen wollte, begegnete im Tobel eine weiße Frau, die auf einem goldenen Wagen daher fuhr. Plötzlich hielt der Wagen still, die weiße Frau stieg aus und winkte dem Manne. Er ging hin und da bedeutete sie ihm, daß sie einen Nagel am Wagen verloren habe, er solle ihr einen schnitzen. Er that das, so gut es ging; die Frau dankte ihm und wies beim Abschiede ihn an, er solle die Späne vom Holze,[10] das er zum Nagel gebraucht, sammeln und heimnehmen. – Das that er, und nahm die Späne nur zur Erinnerung an die seltsame Erscheinung, die er gehabt, mit.

Zu Hause fand er, daß die Späne sich in lauteres Gold verwandelt hatten. Das Geschenk der guten Frau kam ihm recht gut, und von da an litten seine sieben Kleinen daheim auch nicht mehr Noth.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 10-11.
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