XV. Das verzauberte Froschweibchen.

[299] Aus Süd-Småland.


Es war einmal ein Hintersasse, wie es wol viele gibt, er hatte drei Söhne; aber sein Weib war längst gestorben. Als die beiden ältesten Knaben herangewachsen waren, gingen sie eines Tages zu ihrem Vater, und baten um Erlaubniß, von der Heimat fortzuziehen, und sich zu verheiraten. Der Hintersasse antwortete: »Ihr dürft noch nicht an das Heiraten denken, bevor ihr erst euer Glück in der Welt versucht habt. Mich gelüstet es, zu wissen, wer von euch das feinste Tuch verdienen kann, um es am Weihnachtsabend über den Tisch zu breiten.« Dieser Vorschlag gefiel den Brüdern sehr wol, und sie wollten daher in die Welt hinaus, und sehen, wer sich das feinste Tuch verdienen könne. Beim Abschied aber gab der Hintersasse jeden drei Platten (sechzehn Schillinge), und sagte, daß dies ein Zehrpfennig sein sollte, bis sie sich irgend einen Dienst verschaffen könnten.

Als die beiden ältesten Söhne nun von der Heimat fortziehen wollten, ging auch der kleinste, jüngste Knabe zu seinem Vater, und bat um Erlaubniß, sich fortzubegeben,[300] um sein Glück zu versuchen. Der Hintersasse wollte nicht einwilligen, sondern antwortete: »I, du armer Kleiner! kannst du wol denken, daß dich Jemand in Dienst nehmen wolle? Es ist besser, du sitzest daheim in der Herdgrube, dort hast du deinen rechten Platz.« Der Knabe aber war beharrlich, und sagte: »Vater! laßt mich mitfolgen. Keiner weiß, wie das Glück sich wendet. Vielleicht geht es mir gut in der Welt, obschon ich klein, und schwächer als meine Brüder bin.« Als der Greis dieses hörte, dachte er bei sich: »Ja es kann gut sein, daß er mit ihnen auf einige Zeit fortgeht. Daheim thut er nichts Nützliches, und er kommt wol wieder in den Wald, wenn er grünt.« Der Knabe erhielt Erlaubniß, seinen Brüdern zu folgen, und empfing von seinem Vater drei Platten, als einen Zehrpfennig während der Reise.

Die Söhne des Hintersassen begaben sich hierauf auf den Weg, und wanderten den ganzen Tag hindurch. Als es gegen Abend ging, kamen sie zu einer Bierstube, die am Wege lag, und in der Stube war eine große Schaar von Wanderern, und anderen Gästen versammelt. Da setzten sich die beiden ältesten Brüder nieder, aßen und tranken, und spielten unmäßig, und erlustigten sich; der kleine, sehr junge Knabe aber kroch allein in eine Ecke, und wollte nicht bei der Gesellschaft sein. Als so die Brüder ihr Geld verschwendet hatten, beriethen sie sich, wie sie ihr lustiges Leben fortsetzen könnten. In dieser Absicht gingen sie zu ihrem jüngsten Bruder und sagten, daß er ihnen seine drei Platten geben solle, er könnte ja doch nichts Besseres thun, als sich heimbegeben, je eher, desto besser.[301] Der Knabe aber wollte ihrem Wunsche nicht nachkommen. Da nahmen die Brüder ihn fest, überhäuften ihn mit Schlägen, nahmen ihm sein Geld ab, und jagten ihn aus der Herberge. Hierauf setzten sie sich nieder, aßen und tranken wie früher. Der arme Knabe aber floh in die dunkle Nacht hinaus, und wußte nicht, wohin er seinen Weg nahm. Er betrat nun manche wilde Pfade, bis er nicht mehr weiter gehen konnte. Da setzte er sich auf einen Erdhügel nieder, und weinte bitterlich, bis er zuletzt vor Müdigkeit einschlief.

Früh am Morgen, ehe die Lerche sang, wachte der Knabe auf, und setzte seine Reise fort. Er wanderte nun über Berge und durch tiefe Thäler, und fragte nichts nach dem, was er ertragen, entkam er nur seinen Brüdern. Als er weit und lange umhergeirrt, fand er endlich einen grünen Pfad, der zu einem Hof führte. Der Hof aber war so groß, daß es ihm schien, es könne kein anderer, als ein Königshof sein. Der Knabe besann sich nicht lange, sondern trat hinein, und kam in viele schöne Zimmer, das eine prächtiger, als das andere, kein lebendes Wesen aber erschien. Als er so eine Weile gewandert war, aus einem Saal in dem andern, aus einem Gemach in das andere, kam er zuletzt zu einem Zimmer, welches noch kostbarer war, als alle übrigen. Am Ende desselben aber, auf dem Ehrenplatze, saß dort ein Froschweibchen; es war schwärzer, als die schwärzeste Erde, und von so häßlichem Aussehen, daß der Knabe seinen Anblick kaum aushalten konnte. Das Froschweibchen fragte, wer der Ankömmling sei, und was er vorhabe.[302]

Der Knabe antwortete die Wahrheit. »Ich bin ein armer Hintersassensohn, der sich in die Welt hinaus begeben, um einen Dienst zu suchen«. Da erwiederte das Froschweibchen: »Du hast wol nicht Lust, dich bei mir aufzuhalten? Ich brauche jetzt einen sehr braven Jungen«. Der Knabe willigte ein, und sagte, daß er ihm gerne dienen wolle. Das Froschweibchen entgegnete: »Sei denn willkommen. Wenn du mir treu bist, soll es dein Glück sein.« Sie kamen nun überein, und der Knabe versicherte, daß es an seiner Treue nicht fehlen werde, nur sollte seine Herrin nicht mehr fordern, als er auszurichten vermöge.

Als dies bestimmt war, ging der Knabe und das Froschweibchen in den Garten hinab, der vor dem Hause lag, und kamen zu einer Strauchart, welche der Knabe nie früher gesehen. Da sagte das Froschweibchen: »Es soll deine erste Arbeit sein, daß du jeden Tag einen Zweig von diesem Strauche schneidest, wenn die Sonne am Himmel ist. Du sollst es sowol Sonntag als Montag thun, sowol am Weihnachtstag wie am Johannistag; du mußt aber nicht mehrere Zweige abschneiden, sondern blos einen einzigen.« Der Knabe versprach in Allem seinem Wunsche nachzukommen. Das Froschweibchen führte ihn nun zu einer hohen Kammer im Obergeschoß und sagte: »Hier sollst du künftig wohnen, und dich aufhalten. Auf diesem Tisch sollst du immer Speise und Trank finden, wenn du essen willst; dieses Bett soll aufgebettet sein, wenn du ruhen willst, und du hast in Allem deine volle Freiheit. Sei nur in dem treu, was dir obliegt.« So sprach es, und sie trennten sich, und das Froschweibchen hüpfte[303] seines Weges. Der Knabe nahm sein Messer, ging in den Garten hinab, und schnitt einen Zweig vom Busche, und so war er frei für den Tag. Den anderen Morgen machte er es auf dieselbe Art; gleichfalls den dritten und so alle folgenden das ganze Jahr hindurch. Er hatte nun gute Tage auf dem Königshofe, und besaß Ueberfluß an Allem, was er sich wünschen konnte; gleichwol aber wurde ihm die Zeit lang, denn der Tag verstrich, und der Tag kam, und nie sah oder hörte er von irgend einem Menschen. Als nun das Jahr zu Ende war, und der Knabe den letzten Zweig vom Strauche geschnitten, kam das kleine Froschweibchen zu ihm gesprungen, dankte für seine treuen Dienste, und fragte, welchen Lohn er sich wünsche. Der Knabe antwortete, daß er ja wenig Lohnenswerthes gethan habe, und gerne mit dem zufrieden sein wolle, was ihm die Herrin zu geben für gut finde. Da antwortete das Froschweibchen: »Ich weiß wol, welchen Lohn du am meisten wünschest. Deine Brüder sind ausgezogen, sich Tücher zu verdienen, um sie am Weihnachtsabend über den Tisch eures Vaters zu breiten. Hier will ich dir ein Tuch geben, desgleichen kaum zu finden ist, wenn sie auch in zwölf Königreichen suchten.« Mit diesen Worten gab es dem Jungen ein Tischtuch, das Tuch aber war weißer, als der Schnee, und dazu so fein, daß Niemand desgleichen gesehen hatte. Da freute sich der Knabe über die Maßen, dankte mit manchen höflichen Worten für das Geschenk, nahm Abschied von seiner Herrin, und machte sich bereit, mit großer Herzensfreude zu seinem Vater heimzukehren.[304]

Der Knabe begann nun seine Fahrt, und wanderte den ganzen Tag hindurch, ohne daß ihm Jemand begegnete. Als es spät am Abend war, sah er ein Licht, und ging darauf los, um dort Herberge über Nacht zu finden. Er erkannte wieder dieselbe Herberge, wo er von seinen Brüdern geschieden, und als er hinkam, siehe, da saßen die Hintersassensöhne darinnen unter Schalen und Krügen und aßen und tranken, und waren lustig. Da der Knabe nun nicht weiter der Beleidigung gedenken wollte, freute er sich, seine Brüder zu treffen, und ging hin, und grüßte sie herzlich. Er redete sie nun an, und fragte, wie es ihnen ergangen, seitdem sie sich einander das letzte Mal sahen, und ob es ihnen geglückt, sich das Tuch zu verdienen, um es am Weihnachtsabend über den Tisch ihres Vaters zu breiten. Die Brüder betheuerten, daß ihnen Alles wol gelungen. Sie nahmen jeder ihr Tuch hervor, die Tücher aber waren zerrissen und zerlumpt. Da sagte der Knabe: »Wartet, ihr sollt etwas ganz anderes zu sehen bekommen.« Er breitete das Tuch aus, das er vom Frosche bekommen hatte, und alle Gäste in der Herberge kehrten wieder um, um das feine Gewebe zu bewundern. Die Hintersassensöhne aber konnten es nicht leiden, daß ihr jüngerer Bruder eine solche Kostbarkeit besitze. Sie nahmen ihm daher mit Gewalt das schöne Tuch, und gaben ihm statt dessen die alten Tischtüchter. Hierauf wanderten alle drei Brüder zu ihrem Vater heim. Als aber der Weihnachtsabend kam, und die Jünglinge ihr Tuch auf den Tisch breiteten, freute sich der Greis sehr, und konnte nicht genug ihr Glück preisen. Die Hintersassensöhne begannen[305] nun sich selbst zu loben, und sprachen weit und breit von all' den großen Dingen, die sie ausgeführt. Der kleine unscheinbare Knabe aber war schweigsam, und sprach kaum. Er wurde auch weder gehört, noch ihm geglaubt, obschon er erzählen mußte.

Als die drei Brüder daheim die Weihnachten zugebracht, gingen sie eines Tages zu ihrem Vater, und baten um Erlaubniß, fortzuziehen, und sich zu verheirathen. Der Greis aber antwortete, wie früher: »Es ist nicht gut, daß ihr euch vermählen wollt, bevor ihr weiter in der Welt euer Glück versucht. Ich wünschte zu sehen, wer sich den schönsten Trinkbecher verdienen, und am Weihnachtsabend auf den Tisch setzen kann.« Dieser Vorschlag gefiel den Brüdern wol, und sie wollten hinaus in die Welt, und versuchen, wer sich den schönsten Trinkbecher verdienen könne. Beim Abschied aber gab der Greis einem jeden drei Platten, und sagte, daß es ein Zehrpfennig sein solle, bis sie sich einen Dienst verschaffen könnten.

Als nun die beiden Hintersassen vom Hause fortziehen sollten, ging der kleine unscheinbare Knabe zu seinem Vater, und bat um Erlaubniß, sich auch in die Welt hinauszubegeben, um sein Glück zu versuchen. Der Greis wollte nicht einwilligen, sondern antwortete: »Pah! du armer Kleiner, kannst du wol denken, daß Jemand dich in den Dienst nehmen wolle? Es ist besser, du bleibst daheim, und gräbst in der Herdgrube, dort hast du deinen rechten Platz.« Der Knabe aber war sehr beharrlich, und sagte: »Vater! laß mich mitgehen; Niemand kann wissen, wie das Glück sich wendet. Vielleicht geht es mir wohl in der Welt, obschon[306] ich klein, und schwächer als meine Brüder bin.« Als der Greis dies hörte, dachte er bei sich: »Ja, es kann gut sein, daß ich ihn für einige Zeit los werde. Er kommt wol wieder, ehe der Wald im Laub steht.« Der Knabe bekam Erlaubniß, seinen Brüdern zu folgen, und erhielt von seinem Vater drei Platten als einen Zehrpfennig während der Reise.

Die Hintersassensöhne begaben sich hierauf auf die Reise, und wanderten den ganzen Tag hindurch. Als es gegen Abend kam, kamen sie zu der Bierstube hin, die am Wege lag, und in der Stube war eine große Schaar von Wanderern, und von anderen Gästen versammelt. Da setzten sich die beiden ältesten Brüder nieder, und aßen, tranken, spielten unmäßig, und machten sich auf jede Art lustig. Der unscheinbare Knabe aber kroch in eine Ecke, und wollte nicht bei der Gesellschaft sein. Als die Brüder ihr Geld verschwendet hatten, berathschlagten sie zusammen, wie sie ihr lustiges Leben noch eine Weile fortsetzen könnten. In dieser Absicht gingen sie zum jüngsten Bruder hin, und sagten, daß er ihnen seine drei Platten geben solle, er könne wol nichts Besseres thun, als sich nach Hause begeben, je eher, desto lieber. Der Knabe aber wollte ihrem Begehren nicht nachkommen. Da nahmen die Brüder ihn fest, forderten ihm das Geld ab, und jagten ihn mit Schlägen aus der Herberge.

Hierauf setzten sie sich nieder, und aßen, tranken, und ließen sich bewirthen, wie früher. Der arme Knabe aber floh hinaus in die Nacht, und wußte nicht, wohin er den Weg nahm. Er betrat nun manche wilde Pfade, bis er[307] nicht weiter zu gehen vermochte. Dann setzte er sich auf einem Hügel nieder, und weinte bitterlich, bis er zuletzt vor Müdigkeit einschlief.

Früh am Morgen, ehe der Hahn krähte, erwachte der Knabe aus seinem Schlafe, und begann wieder über Berg und Thal zu wandern. Als er lange, und weit umhergeirrt war, fand er zuletzt einen grünen Pfad, und der grüne Pfad führte hin zu dem Hofe, von dem ich früher erzählte. Als der Knabe nun den Königshof wieder erkannte, freute er sich über die Maßen, und besann sich nicht lange, sondern ging keck hinein, und trat vor seine alte Herrin hin, die dort auf dem Ehrenplatze saß. Als das Froschweibchen ihn gewahrte, antwortete es freundlich auf seinen Gruß, und fragte nach seinem Anliegen. Der Knabe antwortete: »Ich bin hieher gekommen, um dir meinen Dienst anzubieten, wenn du ihn benöthigest.« Das Froschweibchen sagte: »Sei mir dann willkommen, ich bedarf jetzt eines Jungen, der sehr brav ist. Wenn du mir treu dienen willst, wird dein Lohn nicht gering sein.« Der Knabe versicherte, daß er es an Treue nicht werde mangeln lassen, wenn es nicht mehr von ihm fordere, als er zu leisten im Stande sei. Das Froschweibchen nahm einen Bund von kurzen Zwirnsfäden hervor, reichte ihn dem Jungen, und sagte: »Es soll deine Arbeit sein, daß du um jeden der Zweige des Strauches einen Faden bindest, die du geschnitten hast. Du sollst aber jeden Tag einen Faden darum winden, wenn die Sonne am Himmel ist, und du sollst es thun, sowol Sonntag, als Montag, sowol am Weihnachtstag, als[308] Johannistag. Du mußt aber nicht mehrere Fäden darum binden, sondern blos einen einzigen.« Der Knabe versprach in Allem zu handeln, wie es ihm befohlen. Hierauf führte ihn das Froschweibchen zu einer Kammer im Obergeschoß und sagte: »Hier sollst du künftig wohnen, und dich aufhalten. Auf diesem Tische wirst du immer Speise und Trank finden, wenn du essen willst, dieses Bett wird aufgebettet sein, wenn du ruhen willst, und du besitzest in Allem deine volle Freiheit. Sei blos treu in dem, was dir obliegt.« So sprach und schieden sie wieder, und das Froschweibchen hüpfte seines Weges. Der Knabe aber nahm einen Faden, ging hinab in den Garten, und knüpfte ihn um einen von den Zweigen, die er im vorigen Jahre geschnitten, und hiemit war er frei für heute. Den andern Morgen machte er es auf dieselbe Art, gleichfalls den dritten und so alle folgende Tage, bis das ganze Jahr um war. Er lebte nun in der vollsten Bequemlichkeit und im Ueberfluß. Die Zeit aber wurde ihm lang, denn die Tage spannen sich der eine gleich dem andern ab, ohne daß er irgend ein lebendes Wesen sah, oder hörte.

Als nun das Jahr zu Ende war, und der Knabe den letzten Faden um den letzten Zweig geknüpft, hüpfte das kleine Froschweibchen zu ihm heran, dankte für seinen treuen Dienst, und fragte, welchen Lohn er sich wünsche.

Der Knabe antwortete, daß er nur das Seinige gethan, und er wolle gern mit dem zufrieden sein, was die Herrin ihm geben wolle. Da sagte das Froschweibchen: »Ich weiß, welchen Lohn du am allermeisten wünschest. Deine Brüder sind fort, und bewerben sich um die[309] Trinkbecher, die sie am Weihnachtsabend auf den Tisch ihres Vaters stellen sollen. Hier aber will ich dir einen Becher geben, desgleichen man kaum irgendwo findet.« Mit diesen Worten gab es dem Jungen einen Trinkbecher. Der Becher aber war von ledigem Silber, und außen und innen vergoldet; dreißig Meister hatten darauf ihren Meisterstempel gedrückt, und die Arbeit war so künstlich, daß seinesgleichen nicht zu finden war, wenn man auch in zwölf Königreichen suchte. Der Knabe dankte für das kostbare Geschenk, das wol viel werth sein mochte. Hierauf nahm er einen herzlichen Abschied von seiner Herrin, und schickte sich mit großer Herzensfreude an, nach Hause zurückzukehren. Er wanderte so ohne Unterlaß den ganzen Tag, und kam spät Abends zur Bierstube, von der ich früher erzählte. Nun wäre der Knabe gewiß vorbeigegangen, aber ein dort herabstürzender Strom machte es ihm unmöglich, einen andern Weg zu nehmen, und dazu bedurfte er auch einer Herberge über Nacht.

Als er in die Herberge trat, siehe, da saßen die Hintersassensöhne darin, unter Schalen und Krügen, gleichwie er zuletzt von ihnen geschieden. Da nun der Knabe sich weiter keines Unrechts erinnern mochte, war er wol zufrieden, seine Brüder zu treffen, und ging hin, und grüßte sie sehr herzlich. Hierauf begann er zu fragen, wie es ihnen nach ihrer Trennung ergangen, und ob es ihnen geglückt, sich den Trinkbecher zu verdienen, um ihn am Weihnachtsabend auf den Tisch ihres Vaters zu stellen. Die Jünglinge bejahten es, und sagten, daß ihnen alles wol gelungen. Es wies nun jeder seinen Trinkbecher. Die[310] Becher aber waren alt, und vom geringen Werthe. Da sagte der Knabe: »Wartet, ihr sollt Etwas ganz anderes sehen.« Er nahm da seinen Trinkbecher hervor, den er von dem kleinen Froschweibchen bekommen, und es war nicht zu wundern, wenn ihn alle Gäste in der Bierstube für ein seltenes, kostbares Stück hielten. Die Hintersassensöhne aber konnten es nicht leiden, daß ihr Bruder eine solche Kostbarkeit besitze, sondern sagten: »Es schickt sich nicht, daß du ein solches Kleinod hast. Du sollst ihn uns geben, die wir sowol älter, und besser als du sind.« Hiemit nahmen sie dem Knaben seinen schönen Becher, und gaben ihm statt dessen ihre schlechten Trinkbecher. Da der Knabe nun einsah, daß es nicht gut sei, Haarseil mit den Stärkeren zu ziehen, mußte er sich damit zufrieden geben.

Die Brüder wanderten zu ihrem Vater heim, und man kann wol denken, welche Freude dort herrschte, als der Greis den kostbaren Trinkbecher auf seinem Weihnachtstische sah. Die beiden ältesten Jünglinge nahmen nun das Wort, und begannen sich selbst und ihre Heldenthaten zu loben. Der kleine unscheinbare Knabe aber war traurig, und sprach kaum. Es wäre auch vergebens gewesen, er wurde weder gehört, noch ihm geglaubt, als er Etwas sagte.

Als die drei Brüder die Weihnachten bei dem Hintersassen zugebracht, gingen die beiden ältesten eines Tages zu ihrem Vater, und baten um Erlaubniß, fortzuziehen, und sich zu verheiraten. Der Greis willigte gerne ein, denn es schien ihm, daß seine Söhne nun groß genug[311] und mit allem wol versehen seien. Er sagte: »Ich wünsche zu sehen, wer die schönste Braut heimführt, wenn der Weihnachtsabend kommt.« Diese Rede gefiel den Brüdern über die Maßen, und sie versprachen, jeder das Beste zu thun. Sie sollten in die Welt hinaus, und versuchen, wer sich die schönste Braut verdienen könne. Beim Abschied aber gab der Greis einem jeden drei Platten als einen Zehrpfennig auf die Reise.

Als nun die beiden ältesten Söhne des Hintersassen vom Hause fortziehen sollten, ging der kleine unscheinbare Knabe zu seinem Vater, und bat um Erlaubniß, seinen Brüdern zu folgen. Der Greis wollte nicht gerne einwilligen, sondern sagte: »I, du armer Knabe! du denkst wol gar, daß es Eine gibt, die dich zum Bräutigam haben will? Es ist besser, du sitzest daheim, und gräbst in der Herdgrube. Dort hast du deinen rechten Platz.« Der Knabe aber ließ sich nicht abschrecken, sondern sagte: »Vater laßt mich mitgehen, Keiner kann wissen, wie das Glück sich wendet. Vielleicht geht es mir wohl in der Welt, obschon ich klein, und schwächer als meine Brüder bin.« Wie der Junge nun so eindringlich sprach, dachte der Greis zuletzt: »Ja es kann gut sein, daß ich ihn auf einige Zeit los werde. Er kommt wol wieder, wenn die Noth drängt.« Der Knabe erhielt nun Erlaubniß, seinen Brüdern zu folgen, und erhielt beim Abschied drei Platten von seinem Vater als Zehrpfennig, bis er sich einen Dienst verschaffen könne.

Die Hintersassensöhne begaben sich hierauf auf die Reise, und wanderten den ganzen Tag hindurch. Als es[312] so gegen Abend ging, kamen sie wieder zur Bierstube hin, die am Wege lag, und in der Herberge war eine Schaar von Wanderern, und anderen Gästen versammelt. Da begannen die ältesten Brüder von Neuem ihr lustiges Leben, und aßen, tranken und spielten unmäßig. Der jüngste Knabe aber saß allein in einer Ecke, und wollte nicht bei der Gesellschaft sein. Als die Brüder all' ihr Geld verschwendet hatten, berathschlagten sie zusammen, wie sie Mittel erhalten sollten, sich noch eine Weile zu unterhalten. In dieser Absicht gingen sie zu ihrem jüngsten Bruder hin, und sagten, daß er ihnen seine drei Platten geben solle, er könne ja nichts Besseres thun, als sich heimbegeben, je eher, desto lieber. Der Knabe aber wollte ihrem Begehren nicht nachkommen, was nicht zu verwundern ist. Da nahmen die Brüder ihn fest, beraubten ihn seines Geldes, und trieben ihn selbst mit Schlägen aus der Herberge. Sie setzten sich nieder, aßen, und tranken, und ließen sich bewirthen, wie früher. Der arme Knabe aber floh in den Wald hinaus, und dachte nicht, wohin der Weg ging; führte er ihn nur von seinen Brüdern fort. Er wanderte nun viele wilde Pfade, bis er nicht weiter zu gehen vermochte.

Dann setzte er sich auf einem Hügel nieder, und weinte bitterlich, bis er vor Müdigkeit einschlief.

Früh am Morgen, ehe die Sonne aufging, erwachte der Knabe aus seinem Schlafe, und begann wieder seinen Weg über Berge und Thäler. Als er so eine Weile gewandert war, dachte er, es wäre wol das Beste, was nun geschehen könne, wenn er wieder zum Königshof käme,[313] wo er es immer so gut gehabt. Kaum hatte er diesen Gedanken gehegt, als er wieder auf dem grünen Pfade stand, und als er ein Stück gewandert war, lag der Königshof gerade vor ihm. Nun freute der Junge sich über die Maßen, und besann sich nicht lange, sondern ging keck in den schönen Saal hinein, wo seine Herrin zu sitzen pflegte. Als das Froschweibchen ihn gewahrte, empfing es ihn freundlich, und fragte nach seinem Anliegen. Der Junge erwiederte: »Ich bin gekommen, um dir meinen Dienst anzubieten, wenn du ihn bedarfst.« Das Froschweibchen sagte: »Sei mir dann willkommen; denn ich brauche einen Jungen, der sehr brav ist. Wenn du mir treu dienst, soll dein Lohn größer sein, als du nur denken kannst.« Der Knabe versicherte, daß es an seiner Treue nicht fehlen werde, wenn es nur nicht mehr fordere, als er auszuführen vermöge. Da erwiederte das Froschweibchen: »Dein Dienst soll nicht schwer, und mühsam sein. Es soll deine Arbeit sein, daß du die Zweige, welche du früher abgeschnitten und gebunden hast, herauftragen, und zu einem Scheiterhaufen im Hofe zusammenlegen sollst. Du sollst aber nur einen Zweig jeden Tag tragen, wenn die Sonne am Himmel ist, und du sollst es sowol Dienstag, wie Donnerstag, sowol am Weihnachtstag, als am Johannistag thun, und du mußt nicht mehrere Zweige zugleich tragen, sondern blos einen einzigen. Wenn das Jahr um ist, und du den letzten Zweig hinaufgetragen, sollst du ein Feuer am Reiserhügel machen, und in deine Kammer auf einige Zeit gehen. Geh' sodann hinab, und kehre den Scheiterhaufen wol zusammen, daß alle Zweige[314] verbrennen. Wenn du etwas im Feuer merkest, sollst du es herausnehmen, und befreien.« Der Knabe versprach, genau in Allem diesen dem Begehren seiner Herrin nachzukommen. Hierauf führte ihn das Froschweibchen in das Obergeschoß zu einer kleinen Kammer hinauf, und sagte: »Hier sollst du künftig wohnen, und dich aufhalten. Auf diesem Tisch wirst du immer Speise und Trank finden, wenn du essen willst; dieses Bett ist immer aufgebettet und bereit, wenn du ruhen willst; und du besitzest in Allem deine volle Freiheit. Sei nur treu in dem, was dir obliegt.« Nach diesem Gespräch schieden sie, und das Froschweibchen hüpfte seines Weges. Der Junge aber ging in den Garten hinab, holte einen Zweig, denn er früher abgeschnitten, und umwunden, trug ihn auf die Baustelle hinauf, machte den Scheiterhaufen zurecht, und hiemit war er für heute frei. Den andern Morgen machte er es auf dieselbe Weise, gleichfalls den dritten, und so alle künftige, bis das ganze Jahr um war. Der Knabe hatte nun gute Tage auf dem Königshofe, und er schoß auf zu einem schlanken Jüngling. Sehr einsam aber schien es ihm zu sein, denn weder sah, noch hörte er von irgend einem Menschen, und es ging ihm oft zu Gemüthe, daß seine Brüder mit ihren Bräuten heim kommen werden, er aber noch keine habe.

Als so das Jahr zu Ende war, und der Knabe den letzten Zweig hinaufgetragen, und ihn zu den übrigen gelegt hatte, that er, wie das Froschweibchen gesagt hatte, und zündete ein Feuer auf dem Reiserhügel an, und machte einen großen Scheiterhaufen zurecht. Hierauf[315] ging er auf einige Zeit fort, kam dann zurück, und kehrte den Platz von allen Seiten, so daß die Zweige große und kleine, zu Asche verbrannten. Als er nun so recht beschäftigt war, siehe, da erhob sich mitten im Feuer eine wunderschöne Jungfrau; sie war weißer als der Schnee, und ihr Haar so schön, daß es bis zu den Füßen hinab, wie ein Mantel reichte. Als der Junge die schöne Jungfrau gewahrte, sprang er schnell hinzu, und holte sie aus dem Feuer heraus. Die junge Maid aber fiel ihm an die Brust mit großer Herzensfreude, und dankte, daß er sie befreit habe. Sie war nun die schönste und reichste Königstochter in der ganzen weiten Welt, und war von einer Hexe verzaubert worden, die sie in ein häßliches Froschweibchen verwandelt hatte.

In demselben Augenblicke wurde es dort lebendig, und es bewegte sich im ganzen Hause, und der Königshof füllte sich mit Hofmännern, Rittern und vornehmen Jungfrauen, die gleichfalls verzaubert waren. Alle gingen nun hin, der eine nach dem andern, und huldigten ihrer Königin, und dem tapferen Jüngling, der sie befreit hatte. Die Königstochter aber wollte keine Zeit verlieren, sondern ließ sogleich die Pferde an ihrem vergoldeten Wagen spannen, und machte sich bereit, fortzureisen. Sie ließ hierauf den Hintersassensohn in Seide und Scharlach kleiden, versah ihn mit Waffen und anderen Rüstungen, wie es sich für einen Fürstensohn ziemte, und so war der arme Junge mit einmal in den tapfersten, schmucksten Jüngling verwandelt, der je ein Schwert an die Seite band. Als nun Alles für die Reise in Ordnung war, nahm die Königstochter[316] das Wort: »Ich kann wol errathen, daß du an deine Brüder denkst, die auf dem Wege nach der Heimat begriffen sind, um ihre Bräute zu zeigen. Wir wollen daher zu deinem Vater reisen, daß auch er sehen möge, welche Braut du dir verdient hast.« Dem Jüngling war bei Allen diesem zu Muthe, als wäre er aus den Wolken gefallen, es war aber keine Zeit, sich zu besinnen, er stieg daher sogleich in den goldenen Wagen, und nun fuhren sie unter sehr großen Ehrenbezeugungen, und mit großem Gefolge, um den alten Hintersassen in seiner Hütte zu begrüßen.

Als sie so eine Weile gereis't, kamen sie zur Bierstube, die am Wege lag. Da fühlte der Jüngling eine große Lust, zu erfahren, ob seine Brüder, nach ihrer alten Gewohnheit, noch darinnen sich aufhielten. Er ließ daher mit seinem Wagen halten, und trat in die Herberge. Als er nun die Thür öffnete, erblickte er die Hintersassensöhne, wie sie unter Schalen und Krügen saßen, und aßen, tranken und sich erlustigten. Die Brüder aber hatten jeder eine Braut mit sich von solcher Art, wie man wol errathen kann. Man erzählt von ihrem Aussehen, daß sie mager und schmächtig waren, wie dürre Zweige; weiß von Gesichtsfarbe, wie Badstubenwände; rüsselförmige Gesichter, wie junge Schweine hatten, und gelb in den Mundwinkeln, wie junge Schwalben waren. Als der Jüngling dies Alles gesehen, ging er schnell fort, ohne daß ihn Jemand wieder erkannte. Hierauf stieg er zu seiner Braut in den goldenen Wagen und setzte seinen Weg fort mit seinem ganzen Gefolge. Die Gäste in der Bierstube[317] wunderten sich sehr über den schönen Königssohn, der so eben vorbeigezogen.

Der Jüngling und seine schöne Braut fuhren nun zur Hütte des Hintersassen, und kamen hin, als es schon spät Abends war. Sie gingen hinein, und baten um eine Herberge über Nacht. Der Hintersasse antwortete, was die Wahrheit war, daß er seine drei Söhne und ihre Bräute erwarte; überdies nichts anderes, als eine ärmliche Hütte habe, die zur Herberge für so vornehme Leute nicht passe. Die Königstochter aber sagte, daß sie hier bleiben wolle, und der Hintersasse konnte ihr Begehren nicht verweigern. Die Prinzessin ließ nun ein stattliches Weihnachtsfest zubereiten, und schickte ihre Pagen in die Gegend hinaus um Gäste aus Nah und Fern zu laden. Als es gegen Abend kam, und das Gastmahl bereitet war, kamen die beiden ältesten Söhne des Hintersassen mit ihren Bräuten heranziehend, und Keiner wunderte sich, daß der Greis sich nicht besonders über seine Schwiegertöchter freue. Als sie nun am Tische saßen, fragte die Königstochter, von wem der Hintersasse so ein feines Tuch, und so einen schönen Trinkbecher erhalten. »Je nun,« sagte der Greis, »meine beiden ältesten Söhne sind fort gewesen, und haben sie als Lohn für ihre Dienste erhalten.« Da nahm die Prinzessin das Wort: »Nein, deine ältesten Söhne haben nirgends gedient, weder der eine noch der andere. Willst du aber die Wahrheit wissen, so höre, dein jüngster Sohn hat sie verdient, und hier sieh' ein gleiches Tuch und einen gleichen Becher.« In demselben Augenblicke stand der Jüngling vom Tische auf, fiel seinem Vater an's Herz, und[318] Alle konnten nun sehen, daß der fremde Prinz kein anderer, als der jüngste Sohn des Hintersassen war, der kleine Knabe, der früher von seinen Brüdern so gering geschätzt wurde. Als der Greis seinen Sohn wieder erkannte, und zugleich hörte, wie sich Alles zugetragen, verwunderte er sich sehr, und wollte kaum seinen eigenen Augen trauen. Die beiden anderen Hintersassensöhne aber standen mit Scham und Schimpf vor ihrem Vater und vor allen Hochzeitsleuten, und ihre Lüge und Falschheit wurde sehr bald ruchbar in der ganzen Gegend.

Der Jüngling und die schöne Prinzessin ließen nun ihre Hochzeit zubereiten, und feierten sie mit großer Lustbarkeit, und es war ein Hochzeitsmahl, wie Keiner seit Menschengedenken, desgleichen gesehen.

Als aber Weihnachten vorbei war, gingen die Braut und der Bräutigam nach ihrem Lande heim, und nahmen den alten Hintersassen mit sich.

Und der Jüngling herrschte als König über das ganze Reich, und lebte mit seiner schönen Königin im guten Einvernehmen und in Liebe. Dort wohnen sie noch heutigen Tages.

Quelle:
Hyltén-Cavallius, Gunnar/Stephens, George: Schwedische Volkssagen und Märchen. Wien: Haas, 1848, S. 299-319.
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