[377] Das Meerweib.

1. Eine Aufzeichnung aus Süd-Småland erzählt, daß es einen König und eine Königin gab, die keine Kinder hatten. Hierüber war der König sehr betrübt, und berieth sich mit einem alten Weibe, die zum Königshofe gekommen war. Die Königin gebar bald hierauf einen Sohn, der Anesidej hieß. Bei dem Meerweibe befreite ihn ein schönes Mädchen, Namens Meserimej.

Der Schluß stimmt mit der Aufzeichnung B überein.

2. In einer Aufzeichnung aus Roslagen hat die junge Prinzessin den Namen Solfålla erhalten. – Die Erzählung besitzt folgende Abweichungen von der oben mitgetheilten Sage B.

Die zweite Probe des Prinzen besteht darin, alle Bäume im Meerwalde umzuhauen, und sie wieder auf ihre Wurzeln zu stellen. – Auf der Flucht (der Prinz mit Solfålla) werden sie zuerst von einer Docke verfolgt, die zu einer Wolke wurde und durch die Luft fuhr. Dann von der zweiten und dritten Docke, bis die Meerfrau selbst sich auf den Weg begibt, in Gestalt einer schweren Wolke. Da verwandelt Solfålla sich und den Prinzen in eine Gans und einen Gänserich. Die Meerfrau aber[377] merkt ihre List, und verwandelt sich in einen Fuchs, der die Gänse fangen will. In demselben Augenblicke aber geht die Sonne auf. Da ruft die Gans: »Ha, Ha, Mickel Fuchs! sieh' dich um, dort kommt eine schöne Jungfrau gegangen.« Als nun die Meerfrau sich umkehrt und die Sonne schaut, springt sie mitten entzwei und stirbt so.

3. In einer Aufzeichnung aus Süd-Småland wird der Königssohn Flod und die Königstochter Flodina genannt.

Als Flod mit der fremden Prinzessin seine Hochzeit feiert, kommt die verlassene Flodina zum Königshofe und setzt sich auf die Schloßtreppe. Sie hat einen Korb mit Tauben bei sich. Als nun der Tauber bald mit dem, bald mit dem anderen Täubchen schnäbelt, sagt die Prinzessin: »Du bist treu gegen dein Weibchen, gerade so wie Flod gegen Flodina.« Der Schluß ist derselbe wie bei der Sage B.

4. Eine Ueberlieferung aus Ostgothland erzählt, daß es eine Königin war, die während eines heftigen Meersturmes gezwungen wurde, das Kind, das sie unter dem Herzen trug, zu verloben. Sie gebar bald hierauf einen Sohn, der Tobe hieß. Das schöne Mädchen im Hofe der Meerfrau hieß Sara.

Die Kinder liebten sich dort einander sehr und berathschlagten, wie sie zusammen entfliehen könnten. Da spuckte Sara auf den Herd, in den Holzhaufen und in den Brunnen, und bat sie, für sie zu antworten. Hierauf nahm sie einen Stein mit sich, eine Borste und eine Pferddecke[378] und floh so mit ihrem Bräutigam. Als sie eine lange Strecke entkommen waren, bemerkte die Meerfrau ihre Flucht, und fuhr ihnen in einer großen Wolke nach. Da warf Sara den Stein hinter sich, und er wuchs zu einem großen Felsen auf, so daß das Trollweib nicht vorbei konnte, sondern zurück nach ihrem Bergsprenger eilen mußte. Tobe und Sara entflohen während dem weiter. Die Meerfrau kam aber ihnen bald nach; da warf die Jungfrau ihre Borste zurück, und sie wurde zu einem großen Wald, durch den das Weib nicht kommen konnte, ohne heim zu eilen, und ihren Holzhauer zu holen. Das drittemal warf Sara ihre Pferddecke auf den Boden, und sie ward zu einem großen See, so daß das Weib zurück nach ihrem Hund eilen mußte, der Glufsa hieß. Das Weib und Glufsa legten sich nieder, um den See auszutrinken; aber sie tranken zu viel, und sprangen beide entzwei.

5. In einer Ueberlieferung aus Westmanland heißt der Königssohn Andreas, die Prinzessin aber Messeria. Messeria zaubert auf der Flucht vor dem Meerweibe eine kleine Kirche am Wege, und verwandelt den Prinzen in einen Priester und sich selbst in einen Glöckner. Bis zuletzt die Meerfrau selbst kam, da schuf Messeria einen See, und verwandelt sich und ihren Bräutigam in zwei große Fische im See. Als sich nun das Weib dem Strande näherte, kamen die Fische hervor, und wollten sie verschlingen; denn die Königskinder wußten sehr wol, daß, wenn sie nur einen Tropfen von dem Wasser kosten würde, sie wieder in ihre Gewalt kämen.

Quelle:
Hyltén-Cavallius, Gunnar/Stephens, George: Schwedische Volkssagen und Märchen. Wien: Haas, 1848, S. 377-379.
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