39. Kaiser Trojan hat Ziegenohren.

[225] Es lebte einmal ein Kaiser der Trojan hieß. Dieser Kaiser hatte Ziegenohren, und berief der Reihe nach alle Barbiere zu sich, daß sie ihn barbierten, aber welcher nur immer hinging, kehrte nicht wieder, denn während Einer den Kaiser barbierte, ward er von diesem gleich gefragt, was er an ihm bemerkt habe, und wenn hierauf der Barbier sagte, er habe Ziegenohren bemerkt, wurde er vom Kaiser Trojan niedergehauen. So traf denn auch die Reihe einen Barbier,[225] der sich krank stellte und seinen Lehrling schickte. Als der Lehrling vor den Kaiser trat, ward er gefragt, warum der Meister nicht gekommen sei? er antwortete: »weil er krank ist.« Da setzte sich Kaiser Trojan hin und ließ sich von dem Burschen barbieren. Während des Barbierens bemerkte auch der Bursche die Ziegenohren an dem Kaiser, als ihn aber Trojan fragte, was er an ihm bemerkt habe, antwortete er: »Ich habe gar nichts bemerkt.« Da schenkte ihm der Kaiser zwölf Dukaten, und sagte, fortan sollst du immer kommen, mich zu barbieren.

Als der Bursche heim kam, fragte ihn der Meister, wie es bei dem Kaiser gewesen sei, der Lehrling erwiederte: »gut, und der Kaiser hat mich geheißen ihm fortan den Bart zu putzen,« er zeigte auch die zwölf Dukaten, die er bekommen hatte, daß er aber an dem Kaiser Ziegenohren bemerkt habe, das sagte er nicht.

Von dieser Zeit an ging nun der Bursche regelmäßig hin den Trojan zu barbieren, erhielt für jede Abnahme des Barts zwölf Dukaten, sagte aber Niemanden, daß der Kaiser Ziegenohren habe. Zuletzt fing es ihn doch zu wurmen und zu quälen an, das Geheimniß Niemanden sagen zu dürfen, daß er ganz siech ward und dahin zu welken begann. Sein Meister, dem dies nicht entging, fragte ihn, was ihm denn fehle, da antwortete er auf langes in ihn Dringen, daß er etwas auf dem Herzen habe, was er Niemanden anvertrauen dürfe, und, sprach er: »könnt ich es nur irgend Jemanden sagen, ich würde mich alsbald leichter fühlen.« Da sprach der Meister[226] zu ihm: »Nun, so vertraue es mir, ich will es Niemanden weiter sagen, fürchtest du dich aber es mir zu sagen, so gehe zum Seelsorger und vertraue dich ihm an, willst du auch das nicht, so gehe vor die Stadt hinaus aufs Feld, grab dort eine Grube, stecke den Kopf hinein,« sage der Erde drei Mal was du weißt, und wirf die Grube wieder zu. Der Bursche entschied sich für das Letzte, ging vor die Stadt hinaus aufs Feld, grub dort eine Grube, in die er den Kopf steckte, und dreimal sprach: »Der Kaiser Trojan hat Ziegenohren.« Hierauf warf er die Grube zu und kehrte vollkommen beruhigt heim.

Als darüber nun einige Zeit verflossen war, entsproß jener Grube ein Hollunder, und drei Stämmchen wuchsen empor, schön und gerade wie Kerzen. Hirten aber fanden den Hollunder, schnitten einen der Stämme ab und machten Flöten daraus, so wie sie aber darauf zu blasen anfingen, drangen die Worte hervor: »Der Kaiser Trojan hat Ziegenohren.« Alsbald verbreitete sich das in der ganzen Stadt, und zuletzt hörte Kaiser Trojan selbst wie die Kinder bliesen: »Kaiser Trojan hat Ziegenohren.« Da rief er augenblicklich jenen Barbierlehrling zu sich und fragte ihn: »He! was hast du denn von mir unter dem Volke bekannt gemacht?« Der Arme fing nun an sich zu rechtfertigen, daß er wohl an ihm dergleichen bemerkt, aber Niemanden davon gesagt habe; da riß der Kaiser den Säbel aus der Scheide, um ihn nieder zu hauen, worüber der Bursche so erschrak, daß er Alles der Reihe nach eingestand, wie er der Erde gebeichtet habe, wie[227] an jener Stelle ein Hollunder empor gewachsen sei, und wie eine jede aus dessen Holz geschnitzte Flöte diese Kunde von sich gebe. Da bestieg der Kaiser mit ihm einen Wagen, und fuhr nach jener Stelle, um sich von der Wahrheit zu überzeugen, und als sie hinkamen, fanden sie nur noch mehr ein einziges Stämmchen. Nun befahl Kaiser Trojan aus diesem Stamme eine Flöte zu schneiden, damit er höre wie sie flöte. Als die Flöte fertig war, und man auf ihr zu spielen anfing, da drangen die Worte hervor: »Kaiser Trojan hat Ziegenohren.« Da überzeugte sich Kaiser Trojan, daß auf Erden sich nichts verbergen lasse, schenkte dem Barbier das Leben, und gestattete fortan jedem Andern zu kommen und ihn zu barbieren.

Quelle:
Karadzic, Vuk Stephanovic: Volksmärchen der Serben. Gesammelt und aufgezeichnet von Wuk Stephanowitsch Karadschitsch. Ins Deutsche übersetzt von Wilhelmine Karadschitsch. Berlin: Reimer, 1854, S. 225-228.
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