50. Wie sich der Fuchs am Wolfe gerächt hat.

[264] Ein Fuchs knetete einst aus Erde kleine Kuchen, und nachdem sie gebacken waren, bestrich er sie mit Honig, ging damit zu Hirten die Truthühner hüteten, und verlangte von diesen ein junges Truthuhn, er wolle ihnen dafür die Honigkuchen geben. Doch die Hirten wollten ihm kein Truthühnlein geben, sondern sagten ihm, er möge zu den Schweinhirten gehen, die würden ihm ein Ferkel geben. Da ging er hin zu den Schweinhirten und verlangte von ihnen ein Ferkel, er wolle ihnen dafür Honigkuchen geben. Aber auch die Schweinhirten wollten ihm kein Ferkel geben, sondern schickten ihn zu den Rinderhirten, diese würden ihm ein[264] Kälbchen geben. Da ging er zu den Rinderhirten und verlangte von ihnen ein Kälbchen, er wolle ihnen dafür Honigkuchen geben. Doch auch die Rinderhirten waren nicht willig ihm ein Kälbchen zu geben, und wiesen ihn an die Pferdehirten, die sollten ihm ein Füllen geben. Da ging er denn auch zu den Pferdehirten und verlangte ein Füllen, er wolle ihnen dafür Honigkuchen geben. Die Pferdehirten gaben ihm wirklich ein Füllen, und er gab ihnen die Kuchen, aber beschwor sie, die Kuchen nicht eher anzubrechen, bis er jenen Berg überschritten habe. Dies befolgten sie auch, als sie aber später die Kuchen anbrachen und zu essen anfingen, da merkten sie daß die Kuchen von Erde seien, und der Fuchs sie betrogen hatte, eilends machten sie sich auf ihn zu verfolgen, doch der war zu seinem Glücke schon weit weggeeilt, und die Hirten kehrten mißmuthig mit leeren Händen um. Als der Fuchs nach Hause kam, führte er das Füllen alsogleich in den Stall, und fing es fein zu pflegen an: jeden Tag brachte er ihm grüne Gräserchen und kühles Wässerlein, aber so oft er fort ging nach Wasser oder Gras, jedes Mal schärfte er dem Füllen ein, Acht zu haben auf seine Stimme, und auf die Worte: Stute, Stutelein! öffne mir die Thür, ich bringe dir grüne Gräserchen und kühles Wässerlein, und auf keinen andern Ruf die Stallthüre zu öffnen. Einst kam nun der Wolf, der schon öfter gehört hatte, wie der Fuchs dem Füllen zurief die Thür des Stalles zu öffnen, und fing mit seiner groben Stimme zu rufen an: »Stute, Stutelein, öffne mir die Thür, ich bringe dir grüne Gräserchen und[265] kühles Wässerlein!« Doch das Füllen merkte gleich, daß dies nicht die feine Stimme des Fuchses sei, und wie der Wolf dies sah, verbarg er sich hinter dem Stalle. Bald darauf kam auch der Fuchs mit Wasser und Gras beladen heim. Als er vor dem Stalle ankam, hub er nach seiner Gewohnheit mit feiner Stimme zu sprechen an: »Stute, Stutelein! öffne mir die Thür, ich bringe dir grüne Gräserchen und kühles Wässerlein!« Und das Füllen seine Stimme wohl kennend, ließ ihn augenblicklich ein, und hob dann zu erzählen an, wie Jemand gekommen sei, ganz so wie er gesprochen und verlangt habe, es solle ihm die Thür öffnen, wie aber die Stimme eine viel rauhere gewesen sei, und es darum nicht habe öffnen wollen. Da sprach der Fuchs: »Oeffne einer rauhen Stimme um keinen Preis, sondern nur einer ganz feinen.« Den andern Tag, als der Fuchs wie gewöhnlich nach Gras und Wasser ging, kam der Wolf, der in seinem Verstecke das ganze Zwiegespräch mit angehört hatte, wieder, verstellte sich so sehr er nur konnte, und rief mit feiner Stimme: »Stute, Stutelein! öffne mir die Thür, ich bringe dir grüne Gräserchen und kühles Wässerlein!« Das unglückliche Füllen ließ diesmal sich täuschen und öffnete die Thür, da sprang ihm der Wolf auf den Nacken, erwürgte es und fraß es bis auf den Kopf und Schwanz auf. Dann ging er fort, und die Thür des Stalles schloß sich hinter ihm so wie ehedem. Als in einer Weile der Fuchs kam, fing er nach seiner Gewohnheit zu rufen an: »Stute, Stutelein! öffne mir die Thür, ich bringe dir grüne Gräserchen[266] und kühles Wässerlein.« Aber Niemand meldete sich und die Thür blieb geschlossen. Da kroch er durch die Bretter der Wand, und als er im Stalle nur den Kopf und Schwanz des Füllen erblickte, ward ihm sein Unglück klar. Dann schlug er die Thür ein und fing über dem todten Kopfe des Füllen zu jammern und wehzuklagen an, zuletzt ging er fort und legte sich in übergroßem Leid und Trübsinn auf die Straße hin und stellte sich todt. Bald darauf kam ein Mann mit einem Wagen dort vorüber, und als er den Fuchs da auf der Straße liegend fand, hob er ihn auf und warf ihn auf den Wagen, in der Absicht, ihm, wenn er heim komme, den Balg abzuziehen. Er hatte aber auf dem Wagen sein Ränzel und in diesem drei Käse. Der todtgeglaubte Fuchs erhob sich nun leise, zog die drei Käse aus dem Ränzel, sprang vom Wagen hinunter und lief damit fort. Als er schon weit weg war, aß er zwei von den Käsen auf, den dritten aber hing er sich um den Hals und setzte dann seinen Weg fort. Wie er so ging, da begegnete er dem Wolfe, der ihm das Füllen gefressen hatte, und kaum sah der Wolf den Käse an dem Fuchs hängen, fragte er woher er ihn habe? »Ich habe ihn aus dem Wasser geschlürft,« antwortete der Fuchs. »Und wo ist denn dieses Wasser?« fragte der Wolf weiter, der Fuchs erwiederte: »Komm mit, ich will es dir zeigen.« Es war eben Vollmond, um Mitternacht und der Himmel wolkenlos. Der Fuchs führte nun den Wolf an ein Wasser, und ihm den Mond, der sich darin spiegelte, zeigend, sprach er zu ihm: »Sieh mal die[267] prächtigen Käse hier im Wasser, nun mußt du aber auch wacker schlürfen, um ihn heraus zu schlürfen wie ich die Meinigen.« Da fing der arme Wolf zu schlürfen und zu schlürfen an, bis ihm das Wasser schon hinten aus strömte. Der Fuchs aber verstopfte behende jeden Ausweg, indem er zu ihm sprach: »Nur fort geschlürft mein Wölfchen, gleich wirst du ihn haben.« Da schlürfte der Wolf von Neuem, und schlürfte, daß ihm das Wasser schon bei den Ohren heraus drang. Der Fuchs aber verstopfte ihm auch die Ohren, indem er wieder zu ihm sprach: »Schlürfe nur mein Wölflein, schlürfe, gleich wirst du ihn erschlürft haben.« Und der arme Wolf schlürfte und schlürfte wieder, bis ihm das Wasser aus Maul und Nase strömte. Da verstopfte ihm der Fuchs auch noch Nase und Maul, bestieg ihn dann rittlings, indem er sagte, ich bin krank und kann nicht gehen, du mußt mich tragen. Der unglückliche Wolf versuchte wirklich den Fuchs zu tragen, und dieser hob zu singen an: »Der Kranke trägt den Gesunden, der Kranke trägt den Gesunden!« Als er dies in Einem fort wiederholte, fragte endlich der Wolf: »Was sprichst du Gevatter?« Er aber antwortete: »Nichts mein Wölflein, ich fasele nur,« worauf er zu singen fortfuhr: »Der Kranke trägt den Gesunden, der Kranke trägt den Gesunden,« und so in Einem fort, bis sie vor ein Haus kamen, in welchem eben Hochzeit war. Wie die Hochzeitsgäste den Fuchs so singen hörten, kamen sie heraus und fingen seinen Gesang zu loben an, er aber sprach zu ihnen, daß er noch viel schöner singen wolle, wenn[268] sie ihn ins Haus und dann auf den Boden kommen ließen. Und die Gäste erlaubten es ihm. Nachdem nun der Wolf sich mit großer Mühe sammt dem Fuchs den Boden, der nur aus schlanken Holzstämmen geflochten war, hinauf geschleppt hatte, lüftete ihm der Fuchs Nase, Maul und alle übrigen verstopften Oeffnungen, daß das Wasser aus ihm sich ergoß und auf die Gäste hinunter strömte. Die Gäste eilten alsogleich auf den Boden, doch schon war der Fuchs hinab gesprungen und davon geeilt, der arme Wolf aber wurde jämmerlich durchgeprügelt.

Als einige Zeit hierauf Fuchs und Wolf sich begegneten, fragte einer den andern wie sie damals entronnen seien, da sagte der Wolf, er sei beinahe erschlagen worden und mit genauer Noth davon gekommen, und dasselbe versicherte auch der Fuchs. Nun forderte er den Wolf auf mit ihm um die Wette über einen Pfahl zu springen, der sich in ihrer Nähe befand, und um welchen man das Heu aufzuschichten pflegte.

Zu seinem Verderben willigte der Wolf in den Vorschlag. Denn nachdem Beide einige Male hin und her gesprungen waren, sagte der Fuchs zum Wolfe, daß er nicht ganz gut springe, indem er sich immer mehr seitwärts halte, statt gerade über den Pfahl zu springen. Der Wolf versuchte es von Neuem über den Pfahl zu springen, und spießte sich auf. Wie der Fuchs dies sah, da freute er sich über die Maßen und sprach zum Wolf: »Rühre dich, Wölflein, rühre dich, gleich wirst du herunter sein.« Wie sich aber[269] der Wolf hin und her bewegte, drang ihm der Pfahl durch und durch, daß er daran bis auf den Boden glitt, da verließ ihn der Fuchs, der sich nun an ihn gerächt hatte mit den Worten: »Lange schon zerreiße ich mir deinetwegen die Opanken, weil du mein Füllen aufgefressen hast.«

Quelle:
Karadzic, Vuk Stephanovic: Volksmärchen der Serben. Gesammelt und aufgezeichnet von Wuk Stephanowitsch Karadschitsch. Ins Deutsche übersetzt von Wilhelmine Karadschitsch. Berlin: Reimer, 1854, S. 264-270.
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