7. Gerecht Erworbenes kann nicht verloren gehen.

[60] Es war einmal ein armer Mann, der hatte sich bei einem Reichen verdungen, und diente ihm ohne Vertrag. So diente er ihm Jahr und Tag, und als das Jahr zu Ende war, ging er hin zu seinem Herrn, und verlangte, er möge ihm nun auszahlen was er glaube, daß er verdient habe. Da zog der Herr einen Pfennig hervor und sprach: »Da hast du deinen Lohn.« Der Diener nahm die Münze und ging damit zu einem Bache, dessen Wasser sehr reißend war. Und wie er an den Bach kam, sprach er still bei sich selbst:[60] »Barmherziger Gott, wie kommt es wohl, daß ich mir durch ein volles Jahr nur einen Pfennig verdient habe? du o Gott weißt es gewiß, ob ich nur so viel verdiente. Darum will ich mich nun überzeugen, und diese kleine Münze ins Wasser werfen; wenn sie nicht untergeht, dann habe ich sie verdient, geht sie aber unter, dann habe ich sie nicht verdient.« Hierauf bekreuzte er sich und sprach: »Barmherziger Gott! habe ich mir diese Münze verdient, so möge sie auf der Oberfläche des Wassers schwimmen, wo nicht, dann möge sie untersinken auf den Grund.« Dies sprechend warf er das Geldstückchen in den Bach, aber sieh, es sank gleich auf den Grund.

Da bückte er sich, zog es aus dem Wasser und gab es seinem Herrn mit den Worten zurück: »Herr, da bring ich dir deine Münze wieder, ich habe sie noch nicht verdient, und will dir daher noch ein Jahr dienen.« Und so fing er denn wieder von Neuem zu dienen an, und als auch dieses Jahr zu Ende gegangen war, kam er wieder zu seinem Herrn, und verlangte, er möge ihm auszahlen, was er glaube, daß er sich verdient habe. Und der Herr zog wieder einen Pfennig hervor und sprach: »Da, dies ist dein Lohn.« Der Knecht nahm die Münze, dankte seinem Herrn, und ging geraden Wegs wieder an jenen Bach, bekreuzte sich und warf das Geld mit den Worten wieder hinein: »Barmherziger Gott! wenn ich sie mit Recht verdient habe, so möge sie auf der Oberfläche des Wassers schwimmen, wo nicht so möge sie untersinken auf den Grund.« Doch wie er die Münze ins[61] Wasser warf, sank sie auch diesmal gleich auf den Grund. Da bückte er sich, holte sie heraus, und sie abermals zu seinem Herrn hintragend, gab er sie diesem mit den Worten zurück: »Herr! da hast du deinen Pfennig wieder, ich habe ihn noch nicht verdient, und will dir daher noch ein Jahr dienen.« Und wieder fing er von Neuem zu dienen an, und als auch das dritte Jahr um war, da ging er nochmals zu seinem Herrn, und verlangte er möge ihm auszahlen, wie viel er glaube daß er sich erworben habe. Der Herr gab ihm auch diesmal nur einen Pfennig, und er nahm ihn, dankte ihm und ging auch diesmal an den Bach zu sehen, ob er ihn wohl jetzt verdient habe. Wie er hinkam, bekreuzte er sich und warf den Pfennig mit den Worten ins Wasser: »Barmherziger Gott! wenn ich mir diesen Pfennig verdient habe, so laß ihn oben auf schwimmen, wo nicht, möge er auf den Grund sinken.« Wie aber der Pfennig diesmal in's Wasser fällt, sieh, da schwimmt er auf der Oberfläche. Da holte er ihn voll Freude aus dem Wasser, steckte ihn in die Tasche, ging dann fort in den Wald hinein, und baute sich ein kleines Hüttchen, in welchem er vergnügt lebte. Nach einiger Zeit, als er hörte, daß sein Herr sich rüstete zu Schiffe weit übers Meer in ein anderes Land zu reisen, ging er hin und bat ihn, für seinen Pfennig jenseits des Meeres ihm etwas kaufen. Der Herr versprach es ihm, nahm den Pfennig und machte sich auf die Reise. Und wie er so reiste, da traf er am Meeresufer Kinder, die eine Katze herausgetragen hatten, welche sie todtschlagen und[62] dann ins Wasser werfen wollten. Wie dies der Herr sah, eilte er auf sie zu und fragte: »Was thut ihr Kinder?« sie antworteten ihm: »Da die Katze nur Schaden thut, so wollen wir sie umbringen.« Da holt der Herr den Pfennig seines ehemaligen Dieners hervor, und bietet ihn den Kindern für die Katze an. Die Kinder waren darüber froh, nahmen den Pfennig und gaben dem Kaufmann die Katze. Er aber trug die Katze auf sein Schiff, und setzte seine Reise fort, und wie er so reiste, da erhob sich einmal ein heftiger Sturm, der das Schiff Gott weiß nach welcher Richtung hin verschlug, daß es drei Monate lang nicht auf den rechten Weg kommen konnte. Als sich der Sturm legte, und der Herr des Schiffes gar nicht wußte wo sie wären, schiffte er noch ein wenig weiter und landete vor einer Festung. Kaum erfuhr man in der Festung, daß ein Schiff aus unbekanntem Lande gekommen sei, so strömten viele Leute herbei es zu besehen, und Einer aus ihnen, der sehr reich und angesehen war, lud den Herrn des Schiffes zum Abendessen ein. Wie dieser aber hinkam, da gab es etwas zu sehen! Mäuse und Ratten liefen nach allen Seiten herum und die Diener standen da mit Stöcken bewaffnet und mußten sie abwehren, daß sie nicht den Tisch hinan liefen. Da sprach der Kaufmann zum Hausherrn: »Aber um Gottes Willen, Bruder, was soll das?« Worauf der Hausherr antwortete: »So ist es, Bruder, immer bei uns, vor diesen Thieren können wir weder Mittag noch Abend in Ruhe essen. Und wenn wir schlafen,[63] da hat Jeder von uns eine Kiste, in die er sich einschließt, damit die Mäuse ihm nicht die Ohren abnagen.«

Da erinnerte sich der Herr des Schiffes seiner um den Pfennig gekauften Katze und sprach zum Hausherrn: »Ich habe auf meinem Schiffe ein Thier, welches mit Alle dem in zwei bis drei Tagen fertig würde.« »Bruder,« sprach der Hausherr, »wenn du wirklich solch ein Thier hast, so gieb es her, und ich will dir dafür dein Schiff mit Gold und Silber füllen, wenn es sich nur bestätigt, was du mir sagst.« Nach dem Abendessen ging der Kaufmann auf sein Schiff, holte die Katze und sagte seinem Wirthe, nun mögen sich Alle, ohne in die Kisten zu steigen, schlafen legen, aber die Leute getrauten sich nicht dies zu thun, so daß nur er allein in keiner Kiste schlief. Nun ließ er seine Katze los, und wie diese so viel Mäuse und Ratten erblickte, da fing sie an zu fangen, zu würgen, und alle auf einen Haufen zusammen zu schleppen, die Mäuse und Ratten aber, als sie merkten wer da sei, flüchteten sich wohin sie konnten. Als es Tag ward und die Hausleute aufstanden, da war in der Mitte des Zimmers ein großer Haufe todter Mäuse und Ratten zu sehen, und nur noch selten lief eine oder die andre übers Zimmer, und sie guckten scheu aus den Löchern hervor; nach drei Tagen aber da war auch nicht eine Einzige mehr zu sehen. Da füllte der Hausherr unserem Reisenden für die Katze sein Schiff mit Gold und Silber, und dieser kehrte mit seinem Schiffe heim. Als er zu Hause anlangte, da kam auch sein[64] alter Diener herbei ihn zu fragen, was er ihm für seinen Pfennig mitgebracht habe. Da trug der Herr einen Marmorstein heraus, der schön viereckig geschnitten war, und sprach »Sieh, das hab' ich dir für deinen Pfennig gekauft.« Der Diener freute sich sehr, nahm den Stein, trug ihn in seine Hütte und machte sich davon einen Tisch. Am nächsten Tag ging er Holz holen, als er aber nach Hause kam, sieh, da hatte sich der Stein in Gold verwandelt und strahlte wie die Sonne, daß seine ganze Hütte davon erleuchtet war. Da erschrak der ehrliche Diener, lief zu seinem Herrn und sagte: »Herr, was hast du mir gegeben? Das kann nicht mein sein, komm und sieh es an.« Der Herr ging hin, als er aber sah, welch Wunder Gott gewirkt hatte, sprach er: »Es geht nun schon nicht anders mein Söhnlein! Wem Gott hilft, dem helfen auch alle Heiligen, komm mit mir und empfang dein Eigenthum.« Und hierauf gab er ihm alles was er auf dem Schiffe heimgebracht hatte, und seine Tochter obendrein zur Frau.

Quelle:
Karadzic, Vuk Stephanovic: Volksmärchen der Serben. Gesammelt und aufgezeichnet von Wuk Stephanowitsch Karadschitsch. Ins Deutsche übersetzt von Wilhelmine Karadschitsch. Berlin: Reimer, 1854, S. 60-65.
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