9. Der Schlangenbräutigam.

[76] Es war einmal ein armes Weib, das hatte nie ein Kind geboren und da bat es Gott einst er möge es segnen, und sollte es auch eine Schlange gebären. Und Gott erhörte das Gebet, und als die Zeit herum war, gebar es eine Schlange. Kaum hatte sich aber diese dem Schooße der Mutter entwunden, so schlüpfte sie ins Gras und war verschwunden. Das arme Weib trauerte nun fortwährend um die Schlange und weinte, daß, nachdem Gott ihren Wunsch erfüllt hatte, das Wesen welches sie unter ihrem Herzen getragen, verschwunden sei, ohne daß man wisse, wo es sich aufhalte und wie es ihm gehe. Und so vergingen zwanzig Jahre, da kam die Schlange mit einem Male und redete ihre Mutter an: »Ich bin jenes Schlängelein, das du geboren hast, und welches von dir weg sich ins Gras geflüchtet hat, und bin nun gekommen, Mutter, daß du mir des Kaisers Tochter freist, und mich verheirathest.« Die Mutter freute sich herzlich als sie ihren leiblichen Sohn erblickte, doch bald ward sie betrübt, denn wie durfte sie es wagen für eine Schlange, und bei ihrer großen Armuth, um die Tochter des Kaisers zu freien. Doch da sprach die Schlange wieder zu ihr: »Geh immerhin, Mutter, und überlege nicht weiter, du weißt ja, daß eines jeden Mädchens Thüre offen steht, und sollte sie dir der Kaiser[77] auch nicht geben, so wird er dir darum den Kopf nicht nehmen. Allein was dir der Kaiser auch immer sagen wird, sieh dich nicht um, bis du in unserem Hause bist.« Hiermit ließ sich die Mutter bereden und ging zum Kaiser. Als sie aber ins Schloß kam, da wollten die Diener sie erst nicht vor den Kaiser lassen, sie bat jedoch in Einem fort, bis sie es ihr endlich erlaubten. Und als sie vor den Kaiser trat, da sprach sie zu ihm: »Durchlauchtigster Kaiser! Hier ist dein Schwert, und hier auch mein Kopf. Ich war lange Zeit kinderlos, da bat ich Gott er möge mich segnen, und sollte ich auch eine Schlange gebären, und ich ward von ihm gesegnet, und gebar eine Schlange; sobald diese aber das Licht der Welt erblickte, verließ sie mich und verschwand im Grase. Nun, nach zwanzig Jahren kommt die Schlange zu mir und schickt mich her bei dir für sie um deine Tochter zu werben.« Der Kaiser mußte darüber lachen und sprach: »Wenn mir dein Sohn von seinem bis zu meinem Hofe eine Brücke aus Perlen und Edelsteinen erbaut, will ich ihm meine Tochter geben.«

Da kehrte die Mutter heim ohne sich umzublicken, wie sie aber aus dem kaiserlichen Schlosse tritt, erhebt sich hinter ihr eine Brücke aus Perlen und Edelsteinen zusammenfügt bis vor ihr Haus. Und als die Mutter der Schlange erzählte, was der Kaiser ihr gesagt, da sprach die Schlange abermals: »Geh nun hin und sieh ob mir der Kaiser das Mädchen geben will, doch was er dir auch antworten sollte, sieh dich nicht um, wenn du nach Hause gehst.« Da machte[78] sich die Mutter wieder auf, und als sie vor den Kaiser trat, da fragte sie ihn ob er ihr wohl jetzt das Mädchen für ihren Sohn geben wolle? worauf ihr der Kaiser erwiederte: »Wenn dein Sohn mir schönere Höfe aufzuführen vermag als die Meinigen sind, will ich ihm das Mädchen geben.« Da kehrte die Mutter wieder heim, und geht ihrer Wege ohne sich umzublicken; wie sie zu ihrem Hause kommt, da stehen neue Höfe, prächtiger als die des Kaisers. Und nachdem die Mutter der Schlange wieder erzählt, was der Kaiser gesagt habe, da sprach die Schlange abermals: »Geh nun, Mutter, noch einmal hin und sieh ob mir der Kaiser nun das Mädchen geben will, und er möge sagen was er wolle, sieh dich nur nicht um wenn du von ihm weggehst, bis du in unserem Hause bist.« Als die Mutter vor den Kaiser kam, da sagte sie ihm daß die Höfe ihres Sohnes besser seien als die des Kaisers, ob er ihm wohl nun das Mädchen geben wolle? und der Kaiser antwortete ihr: »Wenn dein Sohn sein Schloß besser einzurichten vermag als das Meinige, und Alles prächtiger drinnen ist als bei mir, so will ich ihm das Mädchen geben.« Da kehrte die Mutter heim ohne sich umzusehen, und wie sie heimkam, da ist in ihrem Hause Alles dreimal besser als in dem Schlosse des Kaisers. Da gab es goldne Hirsche, Hirschkühe, Vögel, Gluckhennen, Küchlein, Hasen, kurz alles Mögliche von purem Golde. Und als die Mutter der Schlange erzählte, was der Kaiser gesagt hatte, sprach die Schlange: »Nun, Mutter, geh noch diesmal zum Kaiser, und frage ihn ob er mir jetzt das Mädchen[79] geben wolle?« Und als die Mutter zum Kaiser kam und ihm sagte, daß in dem Schlosse ihres Sohnes Alles dreimal besser sei als in dem kaiserlichen, da sprach der Kaiser zu seiner Tochter: »Nun mußt du dich mit dem Schlängelein vermählen, denn Alles hat er besser als wir.«

Alsbald sammelte die Schlange Hochzeitsgäste, holte des Kaisers Tochter heim und vermählte sich mit ihr. Nach einiger Zeit bekam die Frau der Schlange Hoffnung zu einem Kinde. Da fragten sie die Mutter, die Schwestern und all die Ihrigen: »Wie ist es möglich daß du mit einer Schlange lebend, Hoffnung zu einem Kinde habest?« Sie aber wollte nichts verrathen und sprach nur: »Gott hat es mir verliehen, daß ich gesegnet ward.« Zuletzt fragte die Schwiegermutter insgeheim: »Sage mir meine Schnur wie das kommt, und wie du mit der Schlange lebst?« Da entdeckte sie sich der Schwiegermutter, und sprach: »Meine Mutter, dein Sohn ist ja keine Schlange, sondern ein Jüngling wie es keinen schönern gibt. Jeden Abend streift er sein Schlangenhemd ab, und jeden Morgen schlüpft er wieder hinein.«

Wie die Mutter der Schlange dies hörte, da freute sie sich unendlich, und sehnte sich ihren Sohn zu schauen, wenn er das Schlangenhemd abgestreift hätte, und fragte die Schnur, wie sie es anstellen solle? da sagte ihr die Schnur: »Wenn wir uns schlafen legen, will ich den Schlüssel aus der Thür ziehen, und da kannst du denn durchs Schlüsselloch sehen, wie er sich auszieht.« Und als die Mutter ihren Sohn in Gestalt eines schönen Jünglings erblickte, da fing sie an darüber[80] nachzudenken, was sie wohl thun könnte, daß er immer so bliebe, und eines Tages sprach sie zu ihrer Schnur: »Komm Schnur, lasse uns die Haut meines Sohnes verbrennen, ich will den Ofen heitzen, und sie dann ins Feuer werfen, damit sie gleich verbrenne.« Die Schnur aber antwortete: »Ich fürchte, Mutter, daß ihm etwas zu Leid geschehe.« Aber die Mutter sprach: »Ihm wird nichts geschehen, nur mußt du ihn, sobald ihn die Hitze erfaßt, langsam mit kaltem Wasser begießen, bis die Schlangenhaut verbrannt ist.« Und wie sie sich verabredet hatten, so führten sie es auch aus. Die Mutter heitzte den Ofen, und als der Jüngling am Abend seine Haut abgestreift und sich schlafen gelegt hatte, da nahmen die Beiden die Haut heimlich weg, und warfen sie in den Ofen. So wie aber die Haut zu brennen anfing, überkam auch dem Jüngling die Hitze, doch die Frau begoß ihn fortwährend mit Wasser und so blieb er am Leben. Als die Hitze nachließ, da erwachte er plötzlich aus dem Schlafe, und weil er den Geruch der verbrannten Haut spürte, sprang er auf und rief: »Was habt ihr gethan? Möge Gott euch strafen! Wohin soll ich nun, so wie ich jetzt bin, gehen?« Die Mutter und sein Weib aber beruhigten ihn, indem sie sprachen: »Es ist ja viel besser, daß du so bist, und unter den Menschen bleiben kannst,« und so gelang es ihnen auch, ihn zu beruhigen. Als dies nachher sein Schwiegervater vernahm, da übergab er ihm noch bei Lebzeiten das Reich, und so wurde er Kaiser und regierte glücklich bis an sein Ende.

Quelle:
Karadzic, Vuk Stephanovic: Volksmärchen der Serben. Gesammelt und aufgezeichnet von Wuk Stephanowitsch Karadschitsch. Ins Deutsche übersetzt von Wilhelmine Karadschitsch. Berlin: Reimer, 1854, S. 76-81.
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