13. Der Federkönig

[12] Es waren einmal ein Paar arme Leute auf dem Feld. Sie hatten auch ihr kleines Kind mit, das lag in einer Schaukel, die war aus Windeln und hing an vier Stecken. Auf einmal kam eine wilde Katze aus dem Wald und nahm das Kind, trug es fort in ihre Höhle; sie tat ihm aber nichts zuleide, sondern pflege es, brachte ihm Kräuter, Wurzeln und Erdbeeren, so daß es keine Not litt. Also wuchs es auf in der Höhle; es war aber ein Knabe, und wie der groß war, sprach die Katze zu ihm: »Nun sollst du die Königstochter heiraten!«

»Aber ich bin ja nackt«, sprach der Knabe, »wie soll ich vor den König gehen!«

»Mache dir keine Sorgen, ich will dir gleich ein Kleid schaffen.« Da lief die Katze in den Wald und hatte ein silbernes Pfeifchen, sie blies einmal und zischelte und raschelte dann, und alsbald kamen viele Vögel und wilde Tiere zusammen. Sie nahm von jedem Vogel eine Feder, machte daraus ein Kleid und brachte es dem Knaben; dann führte sie ihn zu den Tieren und sprach: »Jetzt gehe zum König, diese Tiere müssen dir nachfolgen, dann sage beim Eintritt: ›Herr König, der Federkönig schickt euch dies Geschenk!‹«Also ging der Knabe in die Burg und sagte so, wie ihn die Katze gelehrt hatte.

Als der König die vielen Tiere sah, freute er sich und sprach: »Das muß ein reicher König sein!« Den folgenden Tag schickte die Katze den Knaben wieder mit vielen Tieren hin und beschied ihn, er solle sagen: »Das ist wieder ein Geschenk vom Federkönig«, und wenn der König sich verwundere und sage: »Wie lieb wäre es mir, wenn ein so reicher König meine Tochter zur Frau nähme«, da solle er nur sprechen: »Ja, das werde der Federkönig gerne tun und nach drei Tagen werde er kommen und Hochzeit halten.« So geschah es, wie der Knabe ins Schloß kam. Der König freute sich über das neue Geschenk und verwunderte sich sehr und fragte, wie er so sehr wünsche, daß ein so reicher König seine Tochter zur Frau nähme. Da antwortete der Knabe, wie ihn die Katze gelehrt hatte, der Federkönig werde das gerne tun und nach drei Tagen kommen und Hochzeit halten. Als die Zeit um war, lief die Katze wieder in den Wald und blies auf dem silbernen Pfeifchen dreimal und zischelte und raschelte dreimal nach Katzenart. Da kamen alle Vögel und wilden Tiere zusammen, und die Katze wählte jetzt die schönsten und farbigsten Federn und machte daraus einen Mantel, der glitzerte und glänzte wie der Sternenhimmel, und gab ihn dem Knaben. Diesmal ging auch die Katze mit zum Hof. Als sie nicht weit vom Schloß waren, sprach sie zum Knaben: »Jetzt wirf dein altes Federkleid fort, ich bringe dir gleich schöne Kleider aus dem Schlosse; denn den Federmantel sollst du nur zum Schmuck gebrauchen.« Damit lief sie schnell ins Schloß und rief: »Nur schnell königliche Kleider her, der Federkönig kommt und ist in einen Sumpf gefallen, er braucht frische Kleider!« Da gab der König seine besten Kleider hin, und die Katze lief damit fort, brachte sie dem Knaben und kleidete ihn an.

Also, jetzt kam er ins Schloß, und ihm folgten alle Tiere nach. Wie er aber eintrat, legte er den Federmantel um, der glitzerte und glänzte, daß man es kaum aushalten konnte. Da freuten sich der König und die Königstochter über den reichen Bräutigam. Als aber die Hochzeit vorüber war, sprach der König: »Ich möchte doch gerne dein Land und deinen Palast sehen, ich fahre mit!« Wie nun der Federkönig mit seiner jungen Frau im Wagen saß, sah er immer auf seine schönen Kleider und nicht auf seine Frau. Das merkte die Katze, sprang ihm in den Nacken und tschack! kratzte sie ihn einmal. »Sieh doch auf deine Frau!« flüsterte sie, »wenn du aber dich wieder vergißt und man dich fragt, warum du immer auf deine schönen Kleider schaust, so sage, du hättest daheim viel schönere.« Damit lief die Katze fort und war immer voraus. Der Federkönig sah bald wieder auf seine schönen Kleider. Da fragte ihn die junge Frau: »Warum das!?« Er antwortete: »Ich habe daheim viel schönere.« Nun kam die Katze zu einer großen Schafherde; sie lief zum Hirten, sprang ihm in den Nacken und tschack! kratzte sie ihn einmal, daß ihm das Blut floß. »Wenn man dich fragt, wem diese Herde gehöre, so sprich: ›dem Federkönig!‹ sonst komme ich wieder und zerkratze dich ganz.« Als nun der König und das junge Paar hinkamen, fragte der König den Hirten: »Wem gehört denn diese schöne Herde!?« Der Hirte sprach: »Die gehört dem Federkönig«, denn er wollte nicht noch einmal so gekratzt werden. »Ja, die ist mein«, sagte gleich der Knabe, denn er merkte, das hatte die Katze so angestellt.

Bald darauf kamen sie zu einer großen Büffelherde; die Katze war aber schon dagewesen und hatte den Hirten auch einmal gekratzt und ihm gesagt, wenn er nicht spreche, die Herde gehöre dem Federkönig, so werde sie ihn ganz zerkratzen. Als nun der König fragte: »Wem gehört denn die schöne Herde!?« so sprach der Hirte: »Na, die gehört dem Federkönig«, denn er wollte nicht noch einmal zerkratzt werden. »Ja, die ist mein«, sagte der Junge im Wagen, und der König wunderte sich sehr und sprach: »Ich hätte doch nie geglaubt, daß du so reich wärest!« Danach kamen sie zu einer Pferdeherde; auch da war die Katze schon gewesen und hatte den Hirten gekratzt und ihm gesagt, wie er sprechen müsse; und als der König fragte: »Wem gehört denn die große Pferdeherde!?« So sprach er: »Na, dem Federkönig!« denn er wollte nicht noch einmal gekratzt werden. »Ja, die ist auch mein!« sagte der Junge im Wagen. »Jetzt glaube ich, daß du viel reicher bist als ich und auch daheim alles viel schöner haben wirst als ich!« sprach der König.

Endlich gelangten sie in ein Schloß, das gehörte dem mächtigen Zauberer. Da war alles von Gold und Silber, Kristall und Edelsteinen, auf das schönste geordnet, und der Tisch stand gedeckt. Sie setzten sich gleich und aßen. Die Katze aber blieb vor der Tür und hielt Wache. Nicht lange, so kam der Zauberer und polterte und lärmte: »Räuber in meinem Schloß, an meinem Tisch! Aha! Wehe euch!« Die Katze aber stand in der Tür und ließ ihn nicht ein und sprach: »So sage mir nur erst, bist du wirklich der große Zauberer, für den man dich hält? Man erzählt, du könntest dich in was immer, in große und kleine Tiere verwandeln!«

»Ja, daß ist für mich eine Kleinigkeit!« sprach er und verwandelte sich gleich in einen Löwen.

Da fürchtete sich die Katze und sprang aufs Dach. »Das ist wohl gegangen!« rief die Katze; . »nun aber möchte ich sehen, ob du dich in ein kleines Tier, in eine Maus, verwandeln kannst, das ist gewiß schwer und dir nicht möglich!« Sogleich verwandele sich der Zauberer in eine Maus, und im Nu sprang die Katze vom Dache herunter auf die Maus und zerriß sie.

Nun rief sie den Jungen aus dem Saal hinaus und sprach: »Meiner Hilfe bedarfst du nicht weiter, das Schloß und alles, was darin und darum ist, und die großen Herden, die du gesehen hast, sind nun wirklich dein, denn ich habe den Zauberer, dem das alles gehörte, umgebracht! Jetzt aber verlange ich von dir einen Dienst; nimm dein Schwert und schlage mir das Haupt ab.«

Aber der Junge wollte nicht und sprach: »Wie könnte ich so undankbar sein!«

»Wenn du es nicht gleich tust, so kratze ich dir die Augen aus!«

Da nahm er ein Schwert, und auf einen Hieb flog das Haupt fort; aber sieh, da stand auf einmal eine wunderschöne Frau. Der Junge nahm sie gleich an den Arm und führte sie hinein an die Tafel und sprach: »Dies ist meine Mutter!« Die Frau aber gefiel dem alten König sehr und weil seine Gemahlin gestorben war, so nahm er ihre Hand und sprach: »Wollen wir nicht auch Hochzeit feiern!? Sie hatte nichts dagegen, und so dauerte das Fest noch acht Tage. Darauf zog er alte König mit seiner neuen Frau heim. Der Junge aber mit der Königstochter blieb im Zauberschloß und war reicher als sieben Könige.

Quelle:
Haltrich, Josef: Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen. Wien: Verlag von Carl Graeser 1882, S. 12-13.