Die Kathrina.

[12] Das Schloss der Kathrina lag in Schleife auf einem kleinen Berge (Erhebung), da wo Handreka's Garten ist; jetzt ist der Berg abgekarrt. Damals war Schleife noch nicht so »weit«47 gebaut als jetzt und das Schloss lag frei im Sumpfe; rings um dasselbe wie um das »Bergchen«, gorka, war ein Graben und es ging von dem Schloss eine »Schlepe«48 nach der babina gora. Auf der Nordseite vom Schlosse, fünfzig Schritte entfernt, waren »Helder«49, in Masoliz Garten, die waren früher noch zu sehen, da wo jetzt Lysina's Garten ist. Und in dem einen Helder war ein Springbrunnen, der ging so hoch wie die Thurmglocken in der Kirche hängen. Das Wasser dazu kam aus der Jawerka, einem kleinen Teiche auf dem Berge oberhalb des Gustk50, wo noch heute Wasser aus der Erde quillt. Die ganze Strecke bis Schleife wurde das Wasser durch Holzröhren geleitet; davon sind noch einige neuerlich beim Ausheben eines Grabens zum Vorschein gekommen.

In dem Schlosse aber wohnten zwei Prinzessinen, zwei Schwestern; von denen hiess die eine Kathrina (die andere soll Mala geheissen haben, v.). Sie konnten sich aber beide nicht vertragen, darum baute sich die eine im Thiergarten bei Muskau ein Schloss. Dann wollte die Kathrina zum »Schabernack«51 die Schwester im Thiergarten (die Haide) überschwemmen und liess einen grossen Damm bauen, am Wege von Schleife nach Mühlrose; auf der einen Seite vom Wege sind noch jetzt Wiesen, auf der anderen Aecker, aber immer nass. Damals wurde der Kirchthurm in Schleife gebaut. Der Maurer bekam[12] für den Tag einen Pfennig und die Kathrina gab ein Viertel52 Korn für einen Pfennig. Die Bausteine vom alten Schlosse sind alle zum Kirchbau verwendet worden und noch jetzt sieht man unerklärliche Zeichen auf den Mauersteinen, vornehmlich an der Thurmwand53.

Andere sagen: Die Schwester der Kathrina liess den Kirchthurm bauen; der sollte furchtbar hoch werden. Darüber ist sie gestorben, darum ist der Thurm so »kausch«54 geblieben bis auf den heutigen Tag.

47

D.h. es war, wie früher die wendischen Dörfer, eng zusammengebaut, ausserhalb des Dorfes lagen keine Häuser vereinzelt auf dem Felde wie jetzt.

48

Vergl.: S. 6 Schleife.

49

Vergl. Abschnitt IX: Der Nyx und die Mädchen. Anm. 1.

50

Gustk: Gehölz, bei Trebendorf von der Berlin-Görlitzer Eisenbahn durchschnitten, darin, wie geschaffen für Einsiedler, der sog. Pastorbrunnen, faralowa studnicka (beständig kaltes Wasser gebend). Diesen Namen gab das Volk dem Born, weil Prediger Welan ihn oftmals besucht.

51

Zum Possen und Schaden.

52

Ein viertel Scheffel.

53

Etwa 3 Fuss über der Erde an der Plintmauer.

54

Abgestumpft, gestutzt.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 12-13.
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