Wilawa und Selawa.

[43] Ein wendischer Schullehrer ging mit dem Pastor Sonntags zur Kirche, um Gottesdienst zu halten. Unterwegs fanden sie ein grosses unbekanntes Ei. Das nahm der Lehrer nach Hause und setzte eine Gluckhenne darauf. Die sollte das Ei ausbrüten, denn beide wollten sehen, was daraus würde. Nach zwei bis drei Wochen kam der Vogel Sonntags morgen heraus, doch dauerte es lange, bis der grosse Vogel aus dem Ei war. Dadurch versäumte der Lehrer die Kirche und der Pastor musste den Leuten das Morgenlied allein vorsingen; erst zur Liturgie kam der Kantor [Lehrer und Küster] gelaufen. Das sah der Pastor und sang dann mit der Liturgie: »Kńěz šulaŕ! Dźo da sy ty tak dłujko był?« Herr Schullehrer! Wo bist Du so lange gewesen? »Der Lehrer sang: »Nam jo se dźěnsa wilawa narodźiła, ma šnapac ako zelawa118 rogi a nogi ako gnojowe widly. Uns ist heute eine Wilawa geboren, hat einen Schnabel wie die Selawa [Kräuterfresserin] Hörner und Füsse (Beine) wie die Mistgabel«.

Nach anderen: war das Ei žorawine jajo (das Ei eines Kranichs).

Früher zahlten die Leute mit (žorawinje pera) Kranichfedern. Jede Feder kostete einen Groschen. S.

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Zele Kraut. Wilawa etwa: Waldwesen. Vergl. Abschnitt XIX, Kranich.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 43.
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