Schwangere. Kinder.

[107] Wenn eine Schwangere299 – stiehlt und nascht, »apetit« bekommt und heimlich etwas isst, so erbt es das Kind. B.

– vor etwas erschrickt und fasst sich irgend wo hin, so bekommt das Kind ein Muttermal, znamje [Naevus]; wenn vor Feuer: ein Feuermal. B.

– sich vor einem Hasen huchac erschrickt und sich ins Gesicht fast, so kriegt das Kind eine »Hasenscharte«; die ist immer vorne an der Lippe. Ein Kind kann auch einen Hasenkopf kriegen, der ist spitz wie ein wirklicher Hasenkopf, huchacowa głowa. B.

– durch eine Ritze sieht300 und sieht etwas lächerliches, so schielt das Kind. Wenn aber auch nichts lächerliches da ist und die Schwangere sieht heimlich durch eine kleine Ritze, so schielt das Kind doch. B.

– den Flachs zum Trocknen in den Backofen setzt, so soll sie nicht in den Backofen kriechen, sonst bekommt das Kind rothe Haare.

Eine S. soll – sich nicht die Nase zuhalten, wenn es irgendwo sehr stinkt, sonst riecht das Kind aus dem Munde. G.-S.

– ihr Wasser nicht da abschlagen, wo das Wasser vom Dache herunterläuft, sonst kann das Kind nicht sein Wasser halten und macht nachts die Betten immer nass. B.

»Nach der Sonne« soll die Kinderwäsche (sechs Wochen lang) nicht ausser der Grenze und ausser dem Hause sein, sonst werden die Kinder liederlich. Mühlrose.

Wenn eine S. aus der Stube geht und lässt ihr Kind allein, so soll sie ein Gesangbuch unter das Kopfkissen des Kindes legen, oder einen Hund in der Stube haben (überhaupt ein vierbeiniges »Vieh«) oder einen Vogel, dann hat der Böse keine Gewalt über das Kind. B.[107]

Wenn eine schw. Frau das Holz über den Knieen entzweibricht, dass es knackt, so knacken dem Kinde beim Gehen die Knöchel (kulki) unten am Fussgelenk. S.

Wenn ein Kind ein Mal hat, soll man es mit der Nachgeburt dreimal hintereinander abwischen, dann verliert sich das Mal. Die Nachgeburt301 soll man an einem Baume vergraben. B.

Wer Gevatter, kmótř, kmótřa, steht, und das Pathengeschenk bei sich hat, der soll nicht unterwegs Wasser abschlagen, so lange er das Geld bei sich hat, sonst segt das Kind immer ein. B.

Als Pathengeschenk: nicht »gleiches« Geld geben, sondern »etwas darüber«, z.B. 20 Silbergroschen und 3 Pfennige, 1 Thaler (30 S.) und 5 Pfennige, sonst lernt das Kind nicht sprechen. B.

Die kleinen Kinder – bringt der Storch mit der Kiepe, oder auch in einer Mulde (koryto).

– fischt die Bademutter im Wasser aus den Ecken302 in der Spree mit einem Käscher (kašor) heraus. B.

– holt der »Klapperer« [Storch] und wirft sie in den Schornstein hinein. G.-S.

– fischt die Bademutter im Teiche, dazu hat sie einen Korb mit. Die Fische sind die Kinder. Schleife. Jämlitz.

– sind im Dorfe Burg bei der Mühle in der Spree. Da holen sie die Frösche aus den Löchern zwischen den Baumwurzeln hervor und die Bademutter holt sie dann von den Fröschen aus dem Wasser. Burg-Dorf.

Dem neugebornen Kinde303 soll man die Hände in kaltes Wasser stecken, dass ihm die Hände nicht frieren sollen und es gesund bleibt. S.[108]

Kinder tauscht der sły duch, der böse Geist um gegen einen přemeńk,304 Wechselbalg. S.

Wenn man ein umgetauschtes Kind in der Wiege findet, soll man es tüchtig mit der Ruthe hauen, dann kommt das richtige wieder. B.

Ungetaufte Kinder305 werden Irrlichter.

Wenn Kinder unter einem Jahre – Regen kriegen, kriegen sie pěgi Sommersprossen. S.

– in einen Spiegel sehen, bekommen sie Vorahnungen und werden furchtsam. S.

299

In eine wendische Spinnstube wird kein Mädchen aufgenommen, das bereits ein Kind gehabt hat; dieser Umstand bedingt den Austritt. Ebenso findet die [gemeinsame] Spinnte im kommenden Jahre nicht mehr da statt, wo eine ledige Tochter des Hauses ein Kind bekommen hat.

300

»E. S. darf nur bis zur Hälfte ihrer Schwangerschaft verschiedenes nicht sehen, später, was sie will.« Heiligensee.

301

Die Nabelschnur: pupkowa šnorka (pupk, Nabel); von einer Verwendung derselben ist mir unter Wenden nichts bekannt geworden, ebensowenig von der Kinderkrone. – »Wenn ein Kind mit einer ›Krone‹ geboren wird, so soll man sie aufheben, denn sie bringt dem Kinde Glück.« Pommern. – »E. K., das mit einem ›Schwamm‹ g.w., wird oft nicht gross. Die ›Haut‹ selbst ist gut zum Curiren.« Heiligensee. Wenn eine Mutter es soweit bringen kann, dass ihr kleines Kind sich selbst die Nabelschnur aufknüpft, dann hat dasselbe viel Glück. Die Nabelschnur: aufheben und zerrieben gegen Krämpfe eingeben. Wenn eine Schwangere unter einer Leine weggeht, so hängt sich das Kind an der Nabelschnur auf. Heiligensee.

Wiegenlied:

»Spi źiśetko,

Votaŕ paso wojce,

Muterka paso jagnjetka,

Na jadnej zelene górcycce.

Spi źiśetko.

Schlaf Kindchen,

Vater weidet Schafe.

Mutter weidet Lämmerchen,

Auf einem grünen Hügel.

Schlaf Kindchen.« Preilag.

302

D.h. in den tiefen Löchern, weil die Strömung die Ecken ausreisst und tief spühlt.

303

Kranke Kinder bekommen die Nothtaufe (chwatajca). Die zur Kindtaufe (kolacija) Eingeladenen kmótři geben entweder Geld (3–6 Mark) eingewickelt in den Pathenbrief und stecken es in der Kirche in das Taufkissen, oder sie geben Sachen: ein Röckchen (košulka) für das Kind, ein Tuch (lapa) für die Mutter, ein Halstuch oder eine Weste (brustlac) für den Wirth (Vater). Nach der Taufe (dupeńe) geht es zum Schmause. Burg.

304

Vergl. I, 233. Anm. 3. »Přepusćenje ist etwa: Unflat, und das sagt man, wenn sich einer unanständig betragen hat.« B.

305

Siehe I, 109–111.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 107-109.
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