Die Flöte.

[41] Es war mal ein Junge, der sollte drei hundert Hasen hüten und der König hatte anbefohlen, brächte er sie drei Abende richtig nach Hause, sollte er des Königs Tochter bekommen. Nun trieb er aus früh Morgens, und wie er herauskam, waren alle drei hundert Hasen weg. Da weinte er bitterlich; was sollte er machen, abends sollte er alle Hasen haben und hatte nun nicht einen einzigen mehr. Da kam ein kleines Männchen und fragte ihn: »Warum weinst Du so sehr?« Da sagte er dem Männchen, dass er alle Hasen sollte am Abende nach Hause bringen und hätte nicht einen einzigen mehr. Da fragte ihn das kleine Männchen, ob er nichts zu essen hätte, und der Junge sagte: »Nur ein Bisschen trocken Brot«. Wie sie das beide gegessen hatten, gab das kleine Männchen dem Jungen eine Flöte und sagte: »Wenn es Abend ist, sollst Du darauf flöten, dann werden Deine Hasen kommen«. So machte es der Junge am Abend und alle Hasen kamen.[41]

Wie er nun in das Dorf zurückkam, standen alle vor dem Schlosse und sahen zu, ob er wirklich die Hasen wiederbringen würde. Aber mein Junge brachte alle drei hundert Hasen wieder. Den anderen Tag trieb er wieder aus und das kleine Männchen kam wieder, sie frühstückten zusammen und das Männchen fragte: »Warum bist Du so vergnügt?« Da sagte der Junge: »Alle meine Hasen sind wiedergekommen«. Sagte der kleine Mann: »Mach es nur heute Abend wieder so«. So kamen die Hasen alle drei Abende mit.

Nun wollte ihm aber der König doch nicht seine Tochter geben, denn es war noch ein junger Herr da. Aber zuletzt wurde bestimmt, der junge Herr und der Junge und des Königs Tochter sollten sich schlafen legen in einem Bette, und zu wem sie am Morgen würde mit dem Gesichte hinliegen, der sollte sie haben. Wie es nun »mitten in die Nacht« kam, stand der Junge auf, ging nebenan in einen Laden und kaufte sich allerhand feine Sachen, Rosinen und Mandelkerne. Dann legte er sich wieder in das Bett. Um Mitternacht sagte der junge Herr: »Was ist das? Das riecht ja so hübsch von Dir?« Da sagte der Junge: »Ich bin draussen gewesen und habe meinen Koth aufgegessen«. Da stand der andere auch auf, wie der Junge das gesagt hatte, machte es so und schmierte sich das ganze Gesicht voll.

Nun dachten alle, das Mädchen würde am Morgen dem jungen Herrn zuliegen, aber das war nicht der Fall. Da hat der Junge die Königstochter gekriegt.114 G.-S.

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Ein ähnlicher Schluss gehört zu der wendischen Geschichte: die drei goldenen Haare. I. 69.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 41-42.
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