Die schwarz und weisse Prinzessin.

[26] In einer Stadt war eine Wache, da konnte keiner bleiben, denn allemal kam da ein sehr grosser schwarzer Hund mit langem Schwanze. So stellte sich ein dreister Soldat mit geladenem Gewehre auf der Wache hin, und wollte »lossschiessen«, wie der schwarze Hund wieder kam. Doch wie er zielte, sprach der Hund: »Schiesse nicht, ich bin eine verwünschte Prinzessin. Baue Du ein Schiff«. Er sagte: »Ich habe kein Geld« und sie sagte: »Geld sollst Du kriegen, baue nur, aber solche Stämme87 sollst Du nehmen, auf denen keine Vogelnester waren oder sind«. Dann baute er ein solches Schiff, denn Geld »kam« ihm allemal, soviel er brauchte. Dann fuhr er mit dem Schiffe auf den See und kam an eine Insel; auf der war eine verwünschte Burg, ein Schloss. Da ging er hinein und kriegte zwei Lichter und ein Buch. In dem sollte er lesen, doch in der ganzen Nacht nach keiner Seite sich umsehen.

Und in der zwölften Stunde kamen vier schlimme Kerle, die schlugen ihn mit Peitschen, aber er wehrte sich nicht und sah sich nicht um. Morgens früh kam die Verwünschte bis an die Kniee schon weiss und gerettet. In der zweiten Nacht war es noch einmal so schlimm. Es kamen acht Kerle, die schlugen und zupften ihn, aber er las im Buche und sah sich nicht um. Am Morgen nickte ihm die Verwünschte zu, halb gelöst und halb weiss, denn der Menschenleib war weiss, aber oben war sie noch immer wie ein Hund. Und in der dritten Nacht kamen zwölf Peiniger, die schlugen ihn, dass er es nicht mehr aushalten konnte, er wollte sich wehren und musste sich umsehen, da war alles vorbei, er musste wieder auf sein Schiff, und die Verwünschte wurde gänzlich wieder Hund. Der Hund aber gab ihm ein Paar eiserne Schuhe, mit denen könnte er sie wieder erlösen.

So meldete sich der Soldat wieder bei seinem Truppentheil, und wurde eingesperrt, weil er sich nicht abgemeldet hatte, wie er wegging. Im Kerker war er zusammen mit einem seiner Kameraden und beide fanden da einen alten Schleifstein88, solchen grossen runden, wie ihn die Schmiede haben. Da schliffen die beiden alle Tage die eisernen Schuhe und wie sie die durchgeschliffen hatten, kam die Prinzessin auf einem Schiffe angefahren, ganz allein und war gänzlich erlöst. Da fand er mehr Geld im Schlosse, als er sein lebelang verbrauchen konnte. S.

87

Baumstämme.

88

Brus.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 26-27.
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