Lipskuljan's Bett.

[13] Es war ein Kaufmann, der hatte viele Kinder und war sehr reich und fuhr mit schwerer Ladung durch einen grossen Wald. Und der Weg war[13] so schlecht, dass er nicht mehr durchkommen konnte. Er fiel in ein tiefes Loch in den Geleisen und konnte nicht mehr herauskommen und sich retten. Länger als eine halbe Stunde hatte er gebetet und gerufen und kein Mensch kam, ihm zu helfen. Doch zuletzt kam ein buckliger, lahmer Mann, mit grünem Kittel und schwarzem Gesichte, fragte ihn: »Was habt Ihr für Unglück?« Und der Kaufmann sprach: »Ich gäbe mein ganzes Vermögen, könnte ich heraus aus der Hölle, heraus aus meinem Unglücke hier«. Und der bucklige Mann sagte: »Ich will Euch heraushelfen, wenn Ihr mir das versprecht, wovon Ihr zu Hause nichts wisst«.

Der Kaufmann überlegte hin und her, wusste alles und versprach das Verlangte. Da hob der bucklige Mann den Wagen heraus und half ihm denselben aus der Haide führen. Glücklich kam dann der Kaufmann nach Hause und erzählte alles seiner Frau von dem Unglück. Da sagte die Frau: »So hättest Du das nicht machen sollen; denn ich bin schwanger und davon wusstest Du nichts«. Und nach längerer Zeit hatte die Frau ein Kind, das war nun der Hölle verfallen, weil es der Vater dem Teufel verschrieb. Und doch wollten sie es gern retten. Darum schickten sie es gleich in die höchste, in die geistliche Schule, dass es viel lernte. Und das Kind wurde sehr fromm und ward ein Pfarrer; doch davon, was der Vater versprochen, wusste es nichts.

Wie es nun grossjährig geworden und seinen Dienst viele Jahre versah, hatte der Vater grosse Freude über seinen jüngsten Sohn, denn er übertraf alle an Klugheit und Frömmigkeit. Nun geschah es, dass der Vater die silberne Hochzeit feierte, weil er fünfundzwanzig Jahre verheirathet war. Und es war grosse Freude im Hause, alle Söhne waren zugegen und auch der Pfarrer, der jüngste, versprochene, war freudig unter ihnen. Denn er freute sich, weil sein Vater die silberne Hochzeit noch feiern konnte. Da sagte der Vater: »Mein Sohn, wenn Du gewusst hättest, was ich einst mit Dir gethan habe, so wärest Du heute nicht so freudig unter uns. Denn Du wurdest dem Teufel versprochen, ehe Du noch zur Welt kamst«. Und der Vater erzählte ihm, wie alles gewesen und wie er ihn versprochen hatte. Da wurde der Pfarrer gleich sehr traurig und die ganze Hochzeit war auf einmal verdorben, und er sprach: »Ich muss mich nun selber retten«.

Eines schönen Tag's nahm er sein gesegnetes Weihwasser (sćensku wódu) und ging in den Wald hinein, um aus der Hölle die »Abschrift« vom Vertrage zu holen, den einst der Vater gemacht hatte. Da kam er in einen so grossen Wald, dass er nicht mehr herausfinden konnte und traf zuletzt eine Räuberhöhle an. Darin wohnte allein ein Räuberhauptmann, der hiess Lipskuljan und hatte schon viele Menschen todt gemacht; der wollte auch den Pfarrer todt machen. Da erzählte der Pfarrer, was er vorhatte, und der Räuber schenkte ihm das Leben, doch mit der Bedingung, dass er wiederkäme und erzählte, wie sein, des Räubers, Bett wäre zugerichtet in der Hölle. Dann sagte der Pfarrer: »Du solltest mir Deine Axt zeigen, mit der Du die Leute erschlagen hast«. Da zeigte ihm der Räuber die Axt, und der Pfarrer nahm sie und steckte sie in die Erde und sprach: »Wenn von der Axt wird ein Baum erwachsen, so werde ich wiederkommen. Wenn aber keiner wird wachsen, so werde ich auch nicht wiederkommen«.

Nun ging der Pfarrer in die Hölle. Er kam in einen grossen dichten Wald, und traf einen grossen Berg. Und in den Berg führte eine grosse eiserne Thüre hinein und der Pfarrer dachte: hier wird die Hölle sein, klopfte an, aber es kam keine Antwort. Dreimal klopfte er, aber immer vergeblich. Da nahm er das Weihwasser und warf davon dreimal über Kreuz gegen das eiserne Thor. Auf einmal ging das Thor auf und der Pfarrer war in der[14] Hölle. Da waren keine Teufel drinnen, nur der Beelzebub, ganz allein und geschlossen. Und der Pfarrer ging zu ihm und verlangte seine Abschrift, doch Beelzebub wusste nichts davon. Er rief die ganze Hölle herbei, doch unter allen den Teufeln hatte keiner die Schrift. Nun wusste Beelzebub keinen Rath. Allein der Pfarrer liess ihn nicht zufrieden, nahm zum zweiten Male Weihwasser und goss es auf den Beelzebub. Da schrie der so, dass die ganze Hölle erzitterte. Dann kam ganz zuletzt ein buckliger, lahmer Teufel, der hatte die Abschrift und legte sie vorm Beelzebub nieder; der gab sie an den Pfarrer. Und der Pfarrer wurde von den Teufeln sehr schön herausgeführt, damit er nur keinen Schaden mehr thäte. Aber er war nicht zufrieden und wollte wissen, wo sein und Lipskuljan's Bett wäre zugerichtet. Da wurde ihm zuerst sein Bett gezeigt. Das war eine glühende Wiege (žagla kólebka), darin steckten glühende Rasirmesser und zwischen den Rasirmessern waren glühende Ottern (zmije). Dann wurde ihm Lipskuljan's Bett gezeigt; das war ebenso, aber hatte dreimal so grosse Schlangen. Nun wurde der Pfarrer herausgelassen und der Beelzebub hatte grosse Freude, dass er ihn los wurde, denn der hatte ihm zu grossen Schaden mit dem Weihwasser gethan.

Wie nun der Pfarrer wiederum nach Hause zurückkehrte, konnte er den Räuber nicht mehr auffinden. Zehn Jahre waren vergangen und er war erlöst von dem Vertrage und den Teufeln. Doch hätte er gern den Räuber wiedergetroffen, der ihm das Leben geschenkt, und ihm von seinem Bette erzählt. Aber er konnte den Ort, wo er zuerst gewesen, nicht wiederfinden, so viel er auch überall fragte.

Wie er nun einstmals spazieren fuhr, musste er den Wagen verlassen und ging seitwärts in den Wald. Da merkte er einen schönen Geruch wie von Aepfeln, ging zurück zum Kutscher und sagte: »Hier wollen wir die Pferde ausspannen, dem schönen Geruche nachgehen und die Aepfel suchen«. Dann gingen sie in den Wald hinein, immer dem Geruch nach und fanden einen schönen Apfelbaum, der ganz voller Aepfel war. Da wollten sie gern von den Aepfeln kosten, weil der ganze Wald voll schönen Geruches war und der Pfarrer schüttelte den Baum, und alle Aepfel, so viele oben waren, fielen auf einmal hernieder. Darüber wunderte sich der Pfarrer, weil alle auf einmal niederfielen. Da sprach eine Stimme: »Te jabłuka słušaju Wam, chtož sćo mjo lejzowali, diese Aepfel gehören alle Euch, weil Ihr mich erlöst habt«. Das war des Räubers Stimme, der auch war selig geworden, weil ihn der Pfarrer erlöst hatte. Und die Stimme sprach weiter: »So viele Aepfel, wie da unten liegen, so viele Menschen habe ich todtgemacht. Einem habe ich das Leben geschenkt und für den einen bin ich selig geworden. Tak wele jabłukow, ako dołojce leže, tak wele som ja ludźi skończował. Jenomu som žywenje šenkowal. Ja som pŕez tebjo sbóžny wordował«. – S. I, 60.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 13-15.
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