Sich nicht ärgern.

[25] Es war ein Bauer, der hatte zwei Söhne, und der eine war dumm, der andere klug. Und in demselben Dorfe wohnte ein Gutsbesitzer, der brauchte einen Schafhirten. Da schickte ihm der Bauer den klugen und es wurde ausgemacht: wer sich ärgert, sei es Wirth oder Hirt, dem wird ein Knochen ausgeschnitten. Aber der Kluge konnte nicht bestehen; er kriegte nichts zu essen und ging wieder zum Vater zurück. Da dachte der Bauer: wenn du's nicht kannst, muss ich den andern hinschicken; vielleicht besteht der. So ging der Dumme hin. Nun schickte ihn der Gutsbesitzer mit den Schafen in's Feld und drei Tage lang kein Essen. Aber er durfte sich nicht ärgern, denn es war ausgemacht: »Knochu wurězanu, dyź budźoś se gorić, Knochen ausgeschnitten, wenn Du Dich ärgerst.« So wurde der Dumme erbost«81. Da kam ein Fleischer und wollte ihm die Schafe abkaufen. Und er verkaufte die Schafe und machte aus: »Allen schneiden wir die Schwänze ab, ehe Du sie wegtreibst«. Dann steckte er die Schafschwänze alle in den Sumpf. Abends dachte der Gutsbesitzer: musst doch mal sehen, was der Dumme macht, und ihm Essen bringen, 's ist schon der vierte Tag, am Ende verhungert er sonst. Wie er herauskam, bat der Dumme, er möchte ihm die Schafe herausziehen helfen, der Wolf wäre in die Heerde gefallen und alle Schafe in den Sumpf gelaufen. Der Wirth wusste von nichts und war bereit zu helfen. Zuerst zog er hundert Schafschwänze heraus und meinte zum Knechte: »Die müssen tief 'reingefallen sein, sonst müssten sie doch ganz herauskommen.« »Te su musali dłumoko zapanuć, howac musali gänclich wen ćić«. So zogen sie die drei hundert Schwänze heraus, aber keine Schafe dazu. Nun sah der Herr, dass er verspielt hatte, aber ärgern durfte er sich nicht, dachte bloss: warte, dich werde ich anführen.

So sagte der Herr zum Hirten: »Du sollst mir einen Braten machen. – Welches Lamm soll ich schlachten?« fragte der, und der Herr sprach: »Welches dich ansieht«. Nun wollte der Dumme den Braten machen und ging in den Schafstall. Da sahen ihn alle Schafe an, so machte er alle todt und schlachtete sie. Auch sollte er am Braten, so hatte der Herr gewünscht, ja nicht popricka82 vergessen. Da nahm der Dumme den Hund, der hiess Poprizka, und warf ihn zum Braten in den Kessel. Und der Gutsbesitzer hatte einen einzigen Sohn; auf den legte der Dumme einen grossen Stein, dass er nicht weinen konnte. Da wurde der Herr sehr erbosst, aber durfte sich nicht ärgern, und wollte von Hans beim grössten Winde mit lucywo (Kien) geleuchtet haben. Aber der dumme Hans83 fürchtete sich nicht und brannte den Schafstall beim grössten Winde an. Da konnte der Herr sehen, gab ihm seinen Lohn und war froh, wie er ihn los war. S.

81

Sehr ärgerlich.

82

Pepricka, Pfefferkraut (Satureja hortensis L.).

83

Ten wolberny [alberne], oder ten tumy [dumme] Hanso.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 25.
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