Rhys auf dem Feentanz.

[125] Rhys und Llewellyn, zwei Farmersknechte, welche den ganzen Tag über für ihren Herrn Kalk gefahren hatten, trieben, da sie von ihrem Tagwerk heimkehrten, im Zwielicht ihre Bergpferde vor sich her. Da sie eine kleine Ebne erreicht hatten, sagte Rhys zu seinem Genoßen, er solle doch mal stehen bleiben und auf die Musik hören, denn ihm wäre, als klänge da eine Melodie, nach welcher er wol schon hundertmal getanzt hätte, und nun wolle er auch gehn und tanzen. Er bat ihn dann, mit den Pferden fortzugehn, er würde ihn bald wieder einholen. Llewellyn konnte Nichts hören und redete ihm sehr ab; aber Rhys lief fort und Llewellyn rief umsonst hinter ihm her. Er gieng nach Haus, stellte die Pferde ein, aß sein Abendbrod und legte sich dann zu Bett, da er dachte, Rhys habe nur einen Vorwand gesucht, um ins Bierhaus zu kommen. Als am andren Morgen aber noch immer Nichts von Rhys zu hören und zu[125] sehn war, erzählte er seinem Herrn die Geschichte, worauf man den Knecht zu suchen begann. Aber man konnte ihn nicht finden. Da stieg der Verdacht auf, Llewellyn habe ihn ermordet, und er ward ins Gefängniß gesetzt, obgleich kein Beweis gegen ihn vorlag. Ein Farmer aber, der in Feengeschichten sehr bewandert war, hatte seine besondren Gedanken über diesen Vorfall und so schlug er vor, er selbst und einige Andre sollten Llewellyn nach dem Orte begleiten, wo er mit Rhys zuletzt gewesen sei. Da sie dahin kamen, fanden sie den Platz so grün, wie einen Vogelbeerbaum.

»Pst!« rief der Llewellyn auf einmal, »ich höre Musik – ich höre liebliche Harfen!«

Wir Alle lauschten, sagte der Erzähler (denn derjenige, welcher diese Geschichte mitgetheilt hat, war Einer von Denen, die Rhys suchten) – aber wir konnten Nichts hören.

»Setz Deinen Fuß an meinen, David!« sagte er zu mir; sein eigener Fuß stand nemlich am Rand des Feenrings. Ich that, wie er geheißen, und – Einer nach dem Andern – machten es nun Alle so; und da hörten wir denn den Klang vieler Harfen, und sahen in einem Kreiß von ungefähr zwanzig Fuß Durchmesser eine Menge kleiner Wesen – nicht größer als Kinder von drei oder vier Jahren – welche immer rundum tanzten. Unter ihnen sahen wir Rhys; Llewellyn ergriff ihn, als er ihm nahe genug gekommen war, beim Kittel und zog ihn aus dem Kreiß heraus.[126]

»Wo sind die Pferde? Wo sind die Pferde?« rief er.

»Pferde hin, Pferde her – mach' nur, daß du nach Haus kommst!« erwiderte Llewellyn.

Aber Rhys bat ihn er möge doch allein nach Haus gehn und ihn erst den Tanz zu Ende bringen laßen, da er ja nicht länger als fünf Minuten gedauert habe. Sie mußten ihn mit Gewalt fortziehn. Aber er blieb dabei, er sei nur fünf Minuten fortgewesen; von den Leuten aber, bei denen er gewesen, konnte er weiter keinen Aufschluß geben. Er ward immer trauriger, mußte sich zu Bett legen und starb bald darauf.

Am andren Morgen, schloß der Erzähler, giengen wir nach dem Platz, wo wir Rhys gefunden hatten. Der Umkreiß des Ringes war ganz roth, wie der Rasen zu werden pflegt, wenn er ausgetreten ist und ich konnte noch die Spuren kleiner Fersen sehn, ungefähr so groß, wie der Nagel meines Daumen.

Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 125-127.
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