Owen Llawgochs Schloß.

[161] Nach Andren soll Owen Llawgoch in den unterirdischen Verließen eines alten Schloßes schlafen, dessen Ruinen in einem der abgelegensten Theile des Fürstenthums zu sehn sind und noch heute: »Owen Llawgochs Schloß« heißen.

Eines Tages kletterte ein Waliser auf den Ruinen dieses Schloßes herum und entdeckte eine Thüre, welche zu irgend einem unterirdischen Gange zu führen schien. Nachdem er sich durch Efeu und Schutt hindurchgearbeitet hatte, kroch er hinein und fand zu seinem Erstaunen, daß dieser Gang zu einem andren[161] von beträchtlicher Länge führe. Neugier verlockte ihn weiter, bis er endlich in ein Gewölbe von großer Ausdehnung kam, in welchem er eine ungeheure Menge von gerüsteten Kriegern auf ihren Schilden in festem Schlaf liegen sah. Dieser unerwartete Anblick machte ihn stutzig, und da er mit Schreck gewahrte, daß er nun eben weit genug gegangen sei, eilte er davon zu kommen, ehe sein Eindringen bemerkt sein würde. Aber da er sich beim Fortgehn ungeschickt umdrehte, so stieß er unglücklicherweise mit dem Fuße gegen Etwas, was er in der Dunkelheit nicht bemerkt hatte und wie übereinandergeschichtete Waffen aussah. Und kaum berührt fielen sie mit donnerndem Klange zusammen, worauf sogleich alle Krieger aus ihrem Schlaf emporfuhren, nach ihren Waffen griffen und ausriefen: »Ist es Tag? Ist es Tag?«

Der Eindringling raffte all' seine Geistesgegenwart zusammen und erwiderte: »Nein! noch nicht! schlaft nur wieder ein!«

Da legten sie sich alle wieder hin, fielen in den vorigen festen Schlaf zurück und liegen noch heute so, auf das Signal wartend, das sie wecken wird.

Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 161-162.
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