Llyn Cwm Llwch.

[181] In den schwarzen Bergen von Südwales, am Fuße des Hauptgipfels Pen y Van liegt ein düstrer See mit Namen Llyn Cwm Llwch. Nun faßten vor vielen Jahren die Umwohner dieses Llyn den Plan, ihn trocken zu legen; man weiß nicht recht, ob aus Neugierde, um zu sehn, was auf dem Grunde sei, oder weil sie da glaubten Schätze finden zu können. Und so versammelten sie sich denn eines Tages am See in beträchtlicher Anzahl, mit Spaten und Hacken und fiengen ihr Werk mit solchem Eifer an, daß sie nach wenigen Stunden schon einen Graben von dreißig Ellen Tiefe gezogen hatten, deßen Ueberreste man noch heute sehen kann. Nachdem sie nun also noch ein paar Stunden fortgearbeitet hatten, kamen sie zuletzt dem Waßer des Sees so nah, daß es schien, der[181] nächste Hieb der Spitzaxt werde das Unternehmen vollenden. Denn das Ufer sei alsdann ganz durchbrochen und das Waßer müße abfließen. Aber grad als dieser Hieb geführt werden sollte – schon war die Spitzaxt gehoben! – da zuckte ein Blitz, daß die Axt splitterte, der Himmel ward schwarz, der Donner rollte durch die Gebirge – die Arbeitsleute rannten stracks von dannen und blieben erst wieder stehn, als sie den Brink über dem See erreicht hatten. Als der Donner nachgelaßen hatte, bemerkten sie auf der Oberfläche des Waßers ein Kräuseln der Wellen und dann ward die Mitte des Sees heftig bewegt. Aus diesem Strudel erhob sich eine riesige Gestalt, deren Haar und Bart drei Ellen lang war. Als er halb aus dem Waßer emporgestiegen war, redete er die Arbeitsleute an und ermahnte sie, von ihrem Vorhaben abzulaßen, sonst würden sie die Stadt Brecon und das ganze Land im Thal von Usk unter Waßer setzen. Er schloß mit den Worten: »denkt an die Katze!« und dann verschwand er im Waßer unter Donner und Blitz.

Als das Wunder verschwunden und die Furcht gewichen war, begannen die Leute den Vorfall miteinander zu überlegen. Sie hatten die Warnung vollkommen verstanden, auch sonst jedes Ding wol gefaßt, was der Geist gesagt hatte; aber die Schlußworte konnten sie nicht deuten, und das brachte sie in große Angst.

Da kam ein alter Mann, Namens Tomas Shone Rhyterch, und der sagte, er könne den Sinn dieser[182] Worte angeben. Darauf erzählte er dann, daß in seinen Knabenjahren ein Weib in den Van-Gebirgen gewohnt habe, und die hätte eine Katze gehabt, die ihr so lästig ward, daß sie beschloß, dieselbe loszuwerden. Deshalb nahm ein Junge, welcher auf diesen Gebirgen die Schaafe hütete, die Katze eines Morgens mit sich, um sie in dem Llyn Cwm Llwch zu ersäufen. Als er daselbst angekommen war, nahm er sein Strumpfband, band mit demselben einen Stein an den Nacken der Katze und warf sie dann in den See. Da die Uferwände des Sees sehr steil waren, so sank ihm die Katze sogleich aus dem Blick. Aber kurze Zeit darauf ward in einem Fischerboot auf dem Llyn sa fathan, zehn Meilen weiter eine Katze gefunden, nach der Beschreibung genau dieselbe, mit einem Strumpfband um den Nacken, das auch genau daßelbe war, mit welchem sie der Junge einst ertränkt hatte. Daraus schloß man, daß zwischen dem Llyn Cwm Llwch und dem Llyn sa fathan eine Verbindung sein müße und obgleich dieser Teich nur klein sei, der Llyn sa fathan sich seines kleinen Verwandten, wenn man denselben trocken legen wollte, annehmen und das Unrecht dadurch rächen würde, daß er seine gewaltigen Waßermaßen über das ganze anliegende Land ausgießen würde.

Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 181-183.
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