Llyn sa faddan, der See von Brecknock.

[165] Der Llyn sa faddan ist unter den walisischen Seen derjenige, welchen das Märchen und die Sage zu ihrem Lieblingsaufenthalt erwählt haben. Er liegt in Südwales, eine Stunde von der Stadt Brecknock (walisisch: Frycheiniog), in einer sehr schönen Gegend, ist von allen Seiten mit Hügeln umgeben, ungefähr vierzig Minuten lang, zwanzig breit und hat in seinem ganzen Umfang etwa zwei Stunden. Er ist sehr tief und voll von Fischen; seine Ufer sind durch Dörfer und einzelne Gehöfte malerisch verschönt.

Von diesem See glaubt man, er habe einst eine alte, wunderherrliche Stadt verschlungen, welche Lloventium geheißen habe; und die alten Touristen erschöpfen sich in Aufzählung all' der wunderthätigen Kräfte, mit denen er begabt sein soll. Giraldus erzählt von ihm, daß er zuweilen in grünlicher Farbe schimmre, zuweilen in röthlicher, aber nicht überall, sondern so, als ob ihn Blut in kleinen Adern und Canälen durchflöße. Die Bewohner der Umgegend sähen ihn zuweilen[165] mit Gebäuden, Weiden, Gärten und Obstpflanzungen zauberhaft geschmückt. Im Winter, wenn er gefroren und die Oberfläche mit einer Eisrinde bedeckt sei, dann stoße er furchtbare Töne aus, welche dem vereinten Gewinsel vieler wilden Thiere glichen.

Ein andrer alter Tourist, Namens Leland, sagt in seinem Itinerarium: es fließt ein nicht sehr großer Strom, Lloveny (an den Namen jener versunkenen Stadt anklingend!) durch diesen See; nach starkem Regen nimmt er eine vollkommen rothe Farbe an, so daß man seinen Lauf durch den ganzen See genau verfolgen kann. Wenn er gefroren ist, und mit Thauwind zu brechen beginnt, so macht er einen solchen Lärm, daß man denken sollte, es donnre.

Ein alter Mönch endlich hat alle die Wunder des Sees in folgenden Denkversen zusammengestellt:1


Zu Brecknock ist ein tiefer Teich,

Der ist an Fischen überreich;

An Farbe wechselt oft die Bucht,

Trägt buntes Baumwerk, Laub und Frucht;[166]

Paläste prächtig aufgebaut,

Tief unten oft das Auge schaut.

Und unterm Waßer, wenn es kalt,

Ein wunderbarer Ton erschallt.

Und kommt der Fürst: auf sein Geheiß

Die Vögel singen ihm zum Preis

Gar wundersüße Melodie –

Für Andre aber schweigen sie!2

1

Ad Brechnoc est vivarium,

Satis abundans piscium;

Saepe coloris varii,

Comma gerens pomarii.

Structuras aedificii

Saepe videbis inibi.

Sal lacu, cum sit gelidus

Mirus auditur sonitus.

Si terrae Princeps venerit,

Aves cantare jusserit.

Statim depromunt modulos –

Nil concinunt ad caeteros!

2

Siehe das Märchen: »Die Vögel vom Brecknock-See.«

Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 165-167.
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