25. Der Nachtjäger Schäppchen zu Niederelter

[50] Zu Niederelter hörte man nicht selten in der Nacht einen Jäger mit vielen Hunden auf dem Banne umherjagen. Einige noch lebende stockalte Leute wollen ihn in ihrer Jugend öfters gehört haben, wenn er über die Hêtt oder den Wolberg dahinstürmte.

Einst hörten ihn zwei junge Mädchen aus dem[50] Dorfe, die an einem Herbsttage in dunkler Frühe aufs Feld gegangen waren, um die von den Bäumen herabgefallenen Birnen aufzulesen. Plötzlich vernahmen sie ein gewaltiges Lärmen auf dem Wolberg, und ein Mann rief laut und deutlich: »Huhu, trara, Bello! Huphei, Caro!« Die beiden Mädchen wollten schier vor Angst vergehen und wären am liebsten heimgelaufen; doch emsig arbeiteten sie weiter. Auf einmal kam eine ganze Schar junger Hunde unter den Bäumen daher gesprungen; und jedesmal, wenn eines der Mädchen eine Birne aufraffen wollte, kam ein Hund und wehrte es ihm. Da überkam die Mädchen ein Gruseln; sie ließen Körbe und Birnen im Stich und liefen nach Hause. Kurze Zeit darauf starb eines von ihnen infolge des ausgestandenen Schreckens.19

Auf diese Weise schreckte Schäppchen, so hieß der gespenstige Nachtjäger, die Bauern gar oft; und die armen Leute waren froh, als derselbe endlich nicht mehr wiederkam.

Schäppchen war bei Lebzeiten Jäger des Schloßherrn von Niederelter. Dieser Herr war ein sehr leidenschaftlicher Hundeliebhaber und hielt stets einen so großen Schwarm, daß mehrere Kohlenkorbwagen nach seinem Tode nötig waren, um all das Vieh wegzuschaffen. Für Schäppchen war es immer ein rechtes Vergnügen, wenn er mit der ganzen Bande über die Fluren dahin jagen konnte. Was kümmerte ihn der große Schaden, den er jedesmal mit den Hunden den geplagten Landleuten auf dem Felde verursachte! Die klagenden Bauern lachte er aus, und die Ermahnungen seines Herrn, doch der Saatfelder der armen Leute mehr zu schonen, schlug er in den Wind; wußte er doch, daß dem Schloßherrn die Hunde lieber, als die Grundstücke der Bauern waren. Nach seinem Tode aber mußte Schäppchen[51] zur Buße für alle seine Frevel lange Zeit als Nachtjäger auf dem Banne des Dorfes herumirren.

Andere behaupten, der Nachtjäger sei der Schloßherr selbst gewesen, weil derselbe seinem mutwilligen Jäger immer so viele Hunde auf die Jagd mitgegeben und denselben für seine ausgelassenen Streiche nie bestraft habe.

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Vergl. Gredt, 189.

Quelle:
Warker, N.: Wintergrün. Sagen, Geschichten, Legenden und Märchen aus der Provinz Luxemburg. Arlon: Willems, 1889/90, S. 50-52.
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