38. Die h. Kreuz-Kirche bei Wolkringen.

[72] Zwischen Wolkringen und Hondelingen und etwas links von der Landstraße abgelegen, die von Arlon nach Longwy führt, steht eine kleine, allgemein unter dem Namen »Zum h. Kreuz« bekannte Kapelle. An ihrer Stelle erhob sich ehemals die gleichnamige und gemeinsame Pfarrkirche der umliegenden Dörfer. Um dieselbe herum lag der den umliegenden Ortschaften ebenfalls gemeinsame und von einer Mauer umgebene Friedhof.

Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts litt die[72] h. Kreuz-Kirche mehr oder weniger von den Kugeln, welche die Franzosen auf ihre in der Gewân (Dorfflur) hinter dem Gotteshause stehenden Feinde, die Kaiserlichen, schossen. In der Folge wurde kein Gottesdienst mehr in der Kirche gehalten, und dieselbe ging ihrem Verfall entgegen. In den zwanziger Jahren brachen die Wolkringer ihr altes Gotteshaus und die verfallende h. Kreuz-Kirche ganz ab und bauten mit den aus beiden gewonnenen Steinen ihre jetzige Pfarrkirche.

Neben der h. Kreuz-Kirche wohnte vor der Schlacht zwischen den Franzosen und den Österreichern ein Klausner, der für die innere Ordnung der Kirche sorgte. Der Pfarrer wohnte und hatte sein Wittum zu Wolkringen.

Längs des Weges von Wolkringen bis zum h. Kreuz standen in kurzen Zwischenräumen vierzehn von Privaten errichtete steinerne Stationskreuze. Über einem jeden derselben breitete eine dickstämmige Linde ihr mächtiges Laubdach aus. Heute sind nur wenige Kreuze und bloß einige vermorschte Lindenstämme mehr vorhanden. Auf den übrig gebliebenen Kreuzen sieht man Inschriften, und auf einem derselben liest der Wanderer unter andrem: Michael Kruger et uxor.

So lange die erst nach dem Verfall der h. Kreuz-Kirche verschwundenen Kreuze am Wege standen, gingen fromme Wolkringer jeden Sonntag den Steinbildern nach bis zum h. Kreuz beten.

In und bei diesem Gotteshause geschahen zahlreiche Wunder.

Ein kaiserlicher Hauptmann hatte ein Kind, das lahm und krüppelig geboren worden war. Obschon das arme Geschöpf bereits erwachsen war, so vermochte es doch nicht, auf beiden Beinen zu stehen. Die Mutter brachte das Kind in die h. Kreuz-Kirche und betete dort recht inbrünstig für seine Heilung. Während die arme Frau ganz in ihrer[73] Andacht versunken vor dem Altare kniete und alles um sich her vergaß, stand das Kind plötzlich auf und lief, ohne daß die Beterin es bemerkte, geheilt zum Gotteshause hin aus ins Freie, wo die um sein Verschwinden sehr besorgte Mutter es nachher Blümlein pflücken sah.

Auch die Sage berichtet, daß jeder in ein Tier verwandelte Mensch hier seine frühere Menschengestalt wieder erlangte, wenn er sich blutrünstig machte.

Über der Thüre der heutigen Kapelle steht die Jahreszahl 1843. Während der h. Fastenzeit wird jeden Freitag Gottesdienst in der Kapelle gehalten.

Quelle:
Warker, N.: Wintergrün. Sagen, Geschichten, Legenden und Märchen aus der Provinz Luxemburg. Arlon: Willems, 1889/90, S. 72-74.
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