40. Die Kapelle bei Wolkringen.

[75] Nachdem der tapfre Gerlach von Neuerburg sich mit Irmengarde von Wolkringen verlobt hatte, zog er mit seinem zukünftigen Schwiegervater, dem wackren Ritter Arnold, nach dem h. Lande, um dort gegen die Ungläubigen zu kämpfen. Beide verrichteten Wunder der Tapferkeit. Nichts konnte ihrem mutigen Andrange widerstehen, und mancher Sarazenenfürst stürzte von ihren wuchtigen Schwertstreichen getroffen lautlos im blutigen Schlachtgetümmel zusammen.

Einst aber ließ der heißblütige Arnold sich im Gedränge allzusehr von seinem Siegeseifer dahin reißen und geriet in ernstliche Lebensgefahr. Gerlach bemerkte die schlimme Lage, in welcher der alte Ritter sich befand; blitzschnell wendete er sein Roß und schwang sein gutes Schwert mit solcher Macht nach rechts und links, daß es zischend auf und durch die Türkenschädel sauste. Bald hatte er den Ort erreicht, wo der schon verwundete Arnold in heißem Ringen um sein Leben stritt. Vor Gerlachs gewaltigen Streichen ergriffen die Feinde die Flucht. Der tapfre Arnold aber atmete erleichtert[75] auf, reichte seinem Retter dankbar die Hand und drückte ihn ans Herz.

Nachdem Gerlach und Arnold genugsam gegen die Sarazenen gekämpft, kehrten sie mit Ruhm und Ehren bedeckt nach der Heimat zurück. Unterwegs landeten sie im südlichen Frankreich. Da befiel den braven Gerlach, der sich schon so innig auf das herzliche Willkommen seiner Braut gefreut, und den bis dahin noch immer Krankheit und Tod verschont hatten, plötzlich der Aussatz, eine ekelhafte und ansteckende Krankheit, die ihn auf ewig von seinen Mitmenschen trennte. Trost- und mutlos kam der junge Held zu Hause an, wo er der abscheulichen Krankheit wegen von jedermann gemieden wurde.

Ritter Arnold und seine Familie aber hatten den guten Gerlach doch zu lieb, als daß sie ihn in seinem Elende hätten verlassen können. Um den teuren Kranken so nahe wie möglich bei sich zu haben, ließ Arnold auf einer über Wolkringen emporragenden Anhöhe eine dem h. Michael geweihte Kapelle und daneben eine Zelle für den armen Gerlach erbauen. Noch zehn Jahre lebte derselbe in der stillen Klause. Nach seinem Tode nahm seine treue Braut Irmengard den Schleier in dem St. Glossinden-Kloster zu Metz.28

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Ed. de la Fontaine, 128. – Publications de la société pour la recherche et la conservation des monuments historiques dans le Grand-Duché de Luxembourg. VII, 63.

Quelle:
Warker, N.: Wintergrün. Sagen, Geschichten, Legenden und Märchen aus der Provinz Luxemburg. Arlon: Willems, 1889/90, S. 75-76.
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