56. Der Holle-Frâ-Stên bei Altenhoven.

[93] Geht man von Altenhoven nach Lischer, so steigt man nach ungefähr einer Viertelstunde von der Altenhovener Höhe hinab in das Thal, welches sich von Freylingen bis hierher erstreckt. Bald darauf erreicht man den Saum des Bennert-Waldes. Hier steht links am Wege ein altes vermorschtes Kreuz, das sein Entstehen der Erfüllung eines frommen Gelübdes verdankt. Neben dem Kreuze stand auch eine dickstämmige, alte Eiche, die während eines furchtbaren Ungewitters zersplittert wurde und nun ganz verschwunden ist. Dem Kreuze und dem Waldessaume gegenüber liegt auf der andren Seite des engen Thales und am Auslauf eines Höhenzuges ein Felsen, der Holle-Frâ-Stên.

Diese Steinmasse, sagt man, war früher bedeutend größer und hatte ganz das Aussehen einer Grotte. Die Bauersleute der umliegenden Dörfer brachen oft Steine von diesem Felsen zum Bau ihrer Häuser ab. So verschwand nach und nach der schöne Oberteil des Steines, der über den Unterteil hinwegragte und eine Art Schutzdach bildete. Die tiefer liegenden Zugänge des Felsens sollen durch Geröll und Erdreich ganz verschüttet sein.

Diesen Felsen bewohnte in alter Zeit ein sehr altes Mütterchen, welches man allgemein die Hexe »Holle- Mudder« nannte. Obgleich man der Alten eben nicht nachsagen konnte, daß sie einem Menschenkinde geschadet, so vermieden es doch alle Leute und besonders die Kinder, sich der Alten oder deren Wohnung, welche man auch Holle-Mudder-Stên, nannte, zu nähern.

Quelle:
Warker, N.: Wintergrün. Sagen, Geschichten, Legenden und Märchen aus der Provinz Luxemburg. Arlon: Willems, 1889/90, S. 93-94.
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