58. Das alte Schloß und die gespensterhaften Nachtreiter auf dem Heidenwege bei Stockem.

[95] Ungefähr tausend Meter westlich von Stockem stand ehemals auf der alten Römerstraße und in der Nähe des Wendel- und des Wuôlesburs ein Schloß, von dem noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts Mauerreste zu sehen waren. An dem etwa zweihundert Meter von dem Schlosse entfernten Waldessaum stand eine uralte Buche, welche im Jahre 1862 gefällt wurde, und auf welcher man in den Verzweigungen der Äste zahlreiche Geweihe von Hirschen und Dammböcken sowie Hörner von Buckelochsen fand.

Um die alten Schloßruinen sah man in unruhigen Nächten gespensterhafte Reiter auf schneeweißen Rossen über die alte Römerstraße dahinsprengen. Nichts vermochte den Spuk aufzuhalten. Über Stock und Stein über Bach und Hag[95] stürmten sie dahin und verschwanden in dem düster rauschenden Wald.

Nirgends, weder auf den Äckern noch in dem Wald, hinterließen die grauenhaften Gesellen, welche zu dem großen Heere des wilden Jägers gehörten, Spuren zurück.

Mehr als einmal wurden Waschfrauen, welche in aller Frühe am Wendelbur saßen, durch das Herannahen einer Schar gespensterhafter Jäger zu Pferd und deren Hunde, welche unter lautem Lärmen und Bellen im Wasser umherplätscherten, geängstigt und davon gescheucht. Darauf schwärmten die Spukgestalten in der Umgegend umher, blieben aber meistens auf dem alten Heidenwege und verschwanden schließlich im Wald, gerade an der Stelle, wo der Sage nach früher eine Kirche vom Abgrunde verschlungen wurde und vordem ein gallisches Lager gestanden hatte.38

38

Vgl. E. Tandel, 268.

Quelle:
Warker, N.: Wintergrün. Sagen, Geschichten, Legenden und Märchen aus der Provinz Luxemburg. Arlon: Willems, 1889/90, S. 95-96.
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