60. Die überlistete Schießschlange.

[97] Einst gingen mehrere Holzhauer zusammen in[97] den Wald, um Bäume zu fällen. Als sie um Mittag das von ihren Weibern gebrachte Essen eingenommen, überließen sie sich der Ruhe. Einer von ihnen legte sich auf den Rücken und fiel sofort, wie sein lautes Schnarchen verriet, in einen sehr tiefen Schlaf. Die andren schmauchten ihre Pfeifen und plauderten zur Kurzweil von Diesem und Jenem. Plötzlich bemerkte einer der Raucher eine große Schießschlange auf dem Baume, worunter der Schläfer lag. Er sagte es seinen Kameraden, und diese nahmen eine Axt, legten sie mit der Spitze nach oben dem Schläfer aufs Herz und entfernten sich.

Sobald die Leute den Platz verlassen, schoß die Schlange auf den arglosen Schläfer hernieder, um demselben ihre giftigen Zähne ins Herz zu schlagen. Allein diese wuchtige Schnelligkeit war ihr Verderben. Sie spaltete sich selbst an der haarscharfen Axt den Kopf und fiel leblos an dem durch den heftigen Stoß erwachten Holzhauer nieder. Sogleich eilten die Kameraden herzu, nahmen die wertvolle, mit sehr kostbaren Diamanten besetzte Krone und verkauften sie. Das viele Geld, das sie dafür bekamen, teilten sie unter sich und waren gemachte Leute, so lange sie lebten.

Quelle:
Warker, N.: Wintergrün. Sagen, Geschichten, Legenden und Märchen aus der Provinz Luxemburg. Arlon: Willems, 1889/90, S. 97-98.
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