61. Das Bresser-Schloß bei Lottert.

[98] In alter Zeit stand bei Lottert und an der Landstraße, die von Arlon nach Neufchâteau führt das Bresser-Schloß, auf welchem, wie die Volkssage will, Karl Martel das Licht der Welt erblickte.40

Das Bresser-Schloß stand unter der Gerichtsbarkeit derer von Didenburg. Als aber der Herr von Breß sich den Verordnungen der Didenburger nicht mehr unterwerfen und den Gehorsam verweigern[98] wollte, wurde sein Schloß verbrannt, und die umliegenden Güter wurden verpachtet. Als jährliche Pacht wurde ein Sack Getreide jeder Art entrichtet. Das dauerte nun eine Zeit lang, bis einmal ein Mann mit Schriftstücken aus einem fernen Lande kam und sagte, er sei der Erbe derer von Breß, und die Überreste des alten Schlosses sowie die dazu gehörigen Güter seien sein Eigentum. Die Schriftstücke waren aber so alt und verblaßt, daß man nicht alles mehr lesen konnte, was darauf stand. Da wurde alles, was zu dem alten Schlosse gehörte, verkauft, und das Geld kam an eine Bruderschaft von Arlon.

Drei Bauern von Lottert und vier von Offen waren nun Besitzer der ehemaligen herrschaftlichen Güter geworden. Eines Tages kam einer der Offener Bauern, um die Steintrümmer des zerstörten Schlosses wegzuräumen. Da entdeckte er den Zugang zu einem Keller, ging hinein und wurde, wie das Volk berichtet, dort von einem Gespenste geschreckt. Leichenblaß und zum Tode entsetzt kam der Mann nach Haus zurück, legte sich ins Bett und starb, ohne jemand mitgeteilt zu haben, was ihm im Schloßkeller zugestoßen war.

Seit jener Zeit, sagt man, steige um Mitternacht ein Gespenst aus den Kellern des alten Bresser-Schlosses herauf und ängstige den nächtlichen Wanderer unter allerlei Gestalten. Bald kommt das Gespenst als großer weißer Mann, oder als Jäger mit vielen Hunden; bald zeigt es sich unter der Gestalt eines Schafes, eines Hundes oder einer Ente. Und da viele Leute behaupten, den Bresser-Geist gesehen zu haben, so ist mancher nicht so kühn, des Nachts an der Stätte, wo einst das Schloß gestanden, vorüberzugehen.

40

Vgl. E. Tandel, 293.

Quelle:
Warker, N.: Wintergrün. Sagen, Geschichten, Legenden und Märchen aus der Provinz Luxemburg. Arlon: Willems, 1889/90, S. 98-99.
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