62. Die Katzenhöhle.

[99] Wenn man auf der Redinger Landstraße von[99] Frassem nach Pallen geht, so kommt man bald, nachdem man den Girscher Berg rechts hat liegen lassen, durch einen Wald, an dessen Ende links von der Straße in einer Niederung ein Wiesengrund anfängt. Hier befindet sich die eigentliche Katzenhöhle, welche der ganzen Umgebung ihren Namen gegeben hat.

Statt der wohlgebauten Landstraße zog hier in alter Zeit ein sehr schlechter und holperiger Weg hindurch. Der war so eng und schmal, daß zwei Fuhrwerke darauf kaum aneinander vorbeikommen konnten. Von der Katzenhöhle und deren Umgebung wußten die Leute der umliegenden Ortschaften gar wunderliche Dinge zu erzählen. Dort hielten die Hexen ihren nächtlichen Teufelssabbat; und sehr häufig hörte man dort auch hoch in der Luft das laute Fluchen und Schreien und Schießen verwunschener Jäger, welche mit ihrer klaffenden Meute auf wilder Jagd waren. Unheimlicher Katzenspuk war auch nicht selten und brachte den an sich schon sehr düstren Ort noch mehr in Verruf.

Eines Abends kam ein Pallener Mann, welcher öfters nach Arlon ging, ziemlich spät auf seiner Heimkehr an der Katzenhöhle vorbei. Auf einmal sah er dort eine große Anzahl prächtig gekleideter Männer und Frauen, die teils an reich besetzter Tafel schmausten, teils unter den Klängen einer wunderschönen Musik auf dem weichen Wiesengrund dahintanzten. Obgleich der einsame Wanderer mehrere aus der lustigen Gesellschaft erkannte, so war es ihm doch bei diesem seltsamen Schauspiel sehr eng ums Herz geworden. Einige der Festteilnehmer hatten den verwundert und ängstlich drein blickenden Pallener bemerkt und winkten ihm freundlich zu heranzukommen, damit er sich mit ihnen an den Herrlichkeiten erfreue. Doch der Pallener war ein gar furchtsamer Mann. Anstatt der Einladung Folge zu leisten, oder dieselbe höflich abzulehnen, brachte[100] er seinen ganzen Mut in seine beiden Beine und nahm, so schnell er konnte, Reißaus. Und wenn er nach diesem Vorfall wieder nach Arlon ging, so kehrte er jedesmal noch vor Anbruch der Nacht nach Haus zurück.

Quelle:
Warker, N.: Wintergrün. Sagen, Geschichten, Legenden und Märchen aus der Provinz Luxemburg. Arlon: Willems, 1889/90, S. 99-101.
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