Die Entführung aus dem Serail.

Ein deutsches Singspiel in drei Akten.

[365] Auf Befehl des Kaiser Josephs II. für das deutsche Nazionaltheater in Wien 1782. komponirt. Der Text ist von Herrn Bretzner.

Joseph II., seiner schönen Ideen zu Folge, den Geschmack an italienischen Opern, durch Unterstützung deutscher Singspiele und Sänger zuverdrängen, und für das Vaterländische zu stimmen, versammelte die besten Sänger und Sängerinnen und ließ von Mozart dieses Singspiel setzen.[366]

Es wurde zu Wien und Prag, und in der Folge allenthalben, wo es gegeben ward, mit solch allgemeinem Enthusiasm von Kennern und Nichtkennern aufgenommen, als wenn alles bisher Gehörte und Gekannte keine Musik gewesen wäre. Alles war entzückt, hingerissen von den neuen Zaubermelodien.

Dieses Kunstwerk schrieb Mozart in seinem Bräuttigamsstande mit Konstanze Weber, der Schwester der berühmten Sängerin Lang. Den Einfluß, den diese Seelenstimmung auf die Komposizion dieses Singspiels, so wie auf Idomeneo1 haben[367] mußte; wird jedermann erkennen, der sie hört. Es ist voll süßer Gefühle schmachtender Liebe.

Dieses Singspiel ist noch ganz in jenem, damals gewöhnlichen Zuschnitte deutscher Singspiele. Die Simphonie hat noch ihre drei Sätze, (was Mozart sonst bei keiner Oper begangen hat) ein Allegro, Andante und Allegro welches freilich durch seine schleppende Verzögerung der Ueberraschung schadet; keine Finals.

Der erste Akt schließt mit einem Terzett; der zweite mit einem Quartett und der dritte nach damals vom Vater Hiller und Standfuß hergebrachter Weise, mit einem Rundgesange, wo jede Person zu guter Letzt ihr Verschen singt. Im Ganzen, und die Fehler seines Zeitalters abgerechnet, ist der Plan dieses Singspiels[368] vortreflich und seine Fabel gewiß das vernünftigste aller übrigen Opernsujets. Die Karaktere sind, wie das von einem Manne wie Bretzner, zu erwarten war, vortreflich gezeichnet und von Mozart noch vortreflicher koloriert.

Konstanze, ganz das leidende, treu liebende Mädchen. Welche bange Sehnsucht weht in ihrer Parthie! Und welcher Muth beseelt sie, wenn es darauf ankommt, ihrem Geliebten treu zu bleiben, aber mit ihm zu sterben! Ihre erste Arie im ersten Aufzuge (B dur mit Bassetthörnern) »Ach, ich liebte! war so glücklich!« lebt ganz in der Fantasie der hellsten Erinnerung. Dann die zweite mit dem Rezitativ: (g moll) »Taurigkeit ward mir zum Loose etc.« Welche Schwermuth! Welcher nagende Kummer scheint[369] die Musik selbst zu verzehren! Man nehme die Stelle:


Gleich der Wurm zernagten Rose,

Gleich dem Gras im Wintermoose,

Welkt mein banges Leben hin.


Bei den Worten der letzten Zeile, welche Mahlerei! welches lebendige Bild des Hinsterbens in der Instrumentalbegleitung! Das Horn singt decrescendo fort; der Fagott schmelzt in ziehenden Noten; die Geigen und alle übrigen Instrumente sinken sterbend abwärts! In derselben Arie ist die Stelle mit dem Fagott und der Flöte so wahr gesagt:


Selbst der Luft darf ich nicht klagen

Meiner Seele bittern Schmerz;

Denn unwillig sie zu tragen,

Haucht sie alle meine Klagen

Wieder, in mein armes Herz.
[370]

Der Heroismus in der Arie mit Trompeten und Pauken (C dur) »Martern aller Arten« ist außerordentlich und karakterisirt die treue, standhafte Liebe. – Und wessen Thränen flossen nicht bei dem letztern Duett, wo Bellmor und Konstanze sich, wechselnd tröstend, zum Tode bereiten?

Den Bellmor ist ein schönes Ideal eines treuen Liebhabers. Wie mahlt sich sein Muth, alles für sein Mädchen zu wagen, und die Angst, sie vielleicht für sich verlohren zu sehen! Die mahlerische Arie mit dem Rezitativ (A dur) »Ach wie ängstlich, ach wie feurig klopft mein liebevolles Herz!« ist die reinste Sprache des Liebesehnenden Herzens. Wie schön mahlen die Violinen das Pulsiren des ängstlichen Herzens; und bei der Stelle: »War das ihr Lispeln? war das ihr Seufzen?«[371] wie passend ist das Flötensolo hingestellt! Die Deklamazion des kurzen Rezitativs mit nachahmender Hoboe ist so redend, als durch die Instrumentazion eigenthümlich karakterisirt. Die zweite Arie (B dur mit obligaten Klarinetten) »Wenn der Freude Thränen fließen etc.« Die Melodie ist schwärmerische Liebe, der Abdruck der zärtlichsten Empfindung. Die Zuversicht, der starke Glaube der Liebe beseelt mit allmächtigem Odem die dritte Arie: (Es dur) »Ich baue ganz auf deine Stärke, vertrau, o Liebe, deiner Macht!« Welch fester Gang in der Melodie! Und der Baß, wie sicher tritt er auf! Welche Wärme, welche frohe, sich mit diesem Glauben verschwisternde Hoffnung mahlen die kurzen, heitern Zwischensätze der Hörner und Klarinetten in die zuversichtliche Deklamazion! Sie bilden einen glänzenden Pallast werdender Seligkeiten, die gewisse Aussicht[372] auf den süßen Lohn der Liebe, auf den festen, unwankelbaren Grund der Treue.

Blondchen, eine freie Engelländerin, die auch in der Sklaverei das Gefühl ihrer Würde nicht verliehrt. Ihre Naivité entzückt, ihre Launen erheitern. Ich wiederhole, was ich bei Zerline und Susanne sagte, solche naive Mädchenkaraktere waren Mozarts Lieblingsarbeit. Nur ist die wilde Engelländerin weit lebhafter kolorirt, als Zerline und Susanne. Welches Feuer, welcher muntre Geist athmet in der Arie: »Welche Wonne, welche Lust!« (g dur) Wie rasch bewegt sich die Melodie! welches Leben in der Sekondvioline, und wie karakterisiren die Flöten das frohe Mädchen! Und wer kann sich bei der Stelle im Duett mit Osmin (Es dur): »Ich gehe, doch rathe ich dir – nicht so viel, nicht so viel, nicht so viel, du armer[373] Geselle, und wenn du der Groß-Mogol wärst!« des Lachens enthalten, wie drollig sie ihren alten grämischen Osmin parodirt? Dieser sagt vorher in Triolen: »Wahrhaftig nicht eh von der Stelle« und die folgende Stanze: »bis du zu gehorchen mir schwörst« ganz in langen, immer tiefer gravitätisch herabsteigenden, Baßnoten. Eben so äffet ihn das lose Bländchen nach. Der Vers: »Nicht so viel, du armer Gessel etc.« läuft in denselben Triolen, und der andre faßt dieselbe gravitätisch herabschreitende Melodie auf, so tief als die Diskantsängerin in den Baß herunter kann: »und | wenn | du | der | Gros| wo | gol | wärst!« Dann schlägt sie aber schnell wieder in ihre Oktave und wiederholt denselben Vers hartig und lächend. Die Wirkung dieser meisterschaft, ganz der Natur abgeschriebenen, Periode ist entschieden.[374]

Daß Mozart mit seinen Instrumenten wirken konnte, was er wollte, und nie eines an seinen unrechten Platz stellte, beweißt, der glückliche Gedanke in Blondchens erster Arie: (A dur) »Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln etc.« wo er die Blasinstrumente gänzlich wegläßt, und bloß mit Geigen, Bratsche und Violonzell akkompagnirt.

Pedrilla, wie mehrere seiner Brüder, lustig, gewand't und feig. Seinen Karakter bezeichnet die Arie: »Frisch zum Kampfe etc.« worin er sich Muth einsprechen will und seinen eignen Worten nicht traut, vortreflich. Die Tonart ist zwar D dur, der Ton der Entschlossenheit, aber das Akkompagnement, namentlich die ganz originell angebrachten Trompeten, welche immer da schweigen, wo sie laut werden sollten, widerspricht dem Texte alle Augenblicke, wie[375] Pedrillo's inneres Gefühl seinen Worten. Man betrachte das zitternde Akkompagnement der Geigen, in der Stanze: »Sollt' ich zittern, sollt' ich zagen?« Auch der Deklamazion merkt man den blos geborgten Muth an, aber die Stelle: »Nur ein feiger Tropf verzagt« singt er aus völliger Ueberzeugung. Ueberhaupt ist dieses eine der durchdachtesten Arien, welche Mozart je komponirte. Sein Vorgänger in dieser Idee war wohl Gretey in Zemire und Azor, wo der feige Ali im Schlosse des Zauberers ebenfalls eine Arie singt, in welcher das Akkompagnement dem Texte widerspricht. Sie befindet sich zu Anfange des ersten Akts':


Das Wetter ist vorbei,

Ich höre keinen Regen,

Bald wird der Sturm sich legen.


Die Instrumente mahlen indessen ein fürchterliches Ungewitter. –[376]

Selbst der unerwartete Trompetenstoß bei Pedrillo's Stelle in der Fermate: »Frisch zum Streite!« ist mehr ein Angstgeschrei, als wirkliche Aufforderung. – Und mit welcher Angst die Romanze: »Im Mohrenland etc.« gesungen wird, liegt zu deutlich am Tage, da sie sich in die entferntesten Töne verirrt. Wenn auch Mozart mit diesem sonderbaren Tonstücke blos die Romanze karakterisiren wollte, so hat er gewiß Rücksicht auf den Sänger und die Umstände, unter welchen er sie singt, genommen; und so wird sie für diesen zugleich Karakterstück.

Osmin ist ganz, was er seyn soll, ein grober, niederträchtiger Türke. Sklavensinn und die ihm so nah verwandte sinnlose Grausamkeit, läppische Brutalität karakterisiren diese orientalische Nichtswürdigkeit in scharfen Umrissen. Wie grell hallt seine[377] Grausamkeit durch den milden Eisenton der Janitscharen Musik in dem, die Musik der Morgenländer karakterisirenden wilden (A moll) »Erst geköpft und dann gehangen« wieder! – Und der Ausdruck der wilden, barbarischen Grausamkeit, mit welchen schreienden Farben ist er aufgetragen! Bei der Stelle: »Dann gespießt auf heiße Stangen« mahlt der Triangel umwillkührlich; man hört die Eisen klappern. Welche Wuth schwellt die wild in einander heulenden und winselnden Blasinstrumente, bei der Stelle: »Dann getaucht, dann gebunden.« – Wahrlich! die Musik spricht allein. Die wilde rohe Schadenfreude in der Arie: »Ha! wie will ich triumphiren« ist empörend. Man wendet sich mit Abscheu von dem Ungeheuer und verkennt selbst Mozart. Wie hart, unbeugsam ist der Gang der Melodie! Wie viel Wahres liegt in dem ersten Unisono Satze[378] bis zu der Stelle: »Und die Hälse schnüren zu, schnüren zu.« Der Akzent, der auf das »und« gelegt ist, so wie die schnelle Wiederholung des »schnüren zu« ist voller Wahrheit und zeugt von tiefem Studium. Die dritte Arie: »Solche hergelaufne Laffen« (F dur) giebt das einzelne Bild seiner rohen Schlauheit und abgeschmackten Brutalität. Er bemüht sich, dem listigen Pedrillo begreiflich zu machen, daß er gewaltig klug wäre, und betet ihm zu wiederholten Malen vor: »Ich hab' auch Verstand!« Das gewöhnliche jener Leute, die keinen haben, daß sie desto öfter damit prahlen. Die Wiederholung, und immer einen Ton höher, bis auf die Letzt das nachdrückliche »Ich« unter dem Ruhepunkte, und hinterher – »hab' auch Verstand« ist voller Wahrheit. Nun im schnellern Zeitmaaße, mit eilends nach einander folgenden Sylben:
[379]

»Drum, beim Barte des Propheten!

Ich studire Tag und Nacht,

Ruh nicht, bis ich dich seh' tödten,

Nimm dich, wie du willst, in Acht.«


ist ganz die Sprache solcher kleinen elenden Tyrannen, die bei jeder Gelegenheit ihren Untergebene ihre Gewalt fühlen lassen. Dann die in schnell aufsteigenden Noten wiederholte Drohung: »nimm dich in Acht, nimm dich in Acht!«

Sogar in seinen Liedern der Liebe ist der Kerl fatal. Man nehme seinen schleppenden Vortrag des Liedchens: »Wer sein Liebchen hat gefunden:« wie ganz in seinem Karakter ist es geschrieben! Die Tonart G moll, zu nichts weniger als solch einem Liede geschaffen; und wie träge schreitet Melodie und Zeitmaaß! Alles deutet darauf hin, daß der Kerl gar nicht fühlt, was er singt, daß er gedankenlos[380] trallert; besonders sagt der Abfall mit dem Trugschlusse in Es, wo dem Grundtone g, als Terz betrachtet, Es untergeschoben wird, daß der Sänger nichts weniger, als Tröster und Freund seyn könne, und die Unbestimmtheit des Schlusses in den unvorbereiteten Ton mahlt seinen seichten Begriff von Trost und Freundschaft im deutlichsten Umrisse. Auch sein »Trallera« ist höchst erbaulich und reizt mehr zum Einschlafen, als zur Freude. Die Melodie und das Akkompagnement dieses Liedchens sind so passend, so vortreflich gewählt, daß es schlechterdings nicht möglich ist, eine bessere Wahl zu treffen. Mozart erscheint hierin als großes hellsehendes Genie. Die Idee ist so richtig durchdacht, als empfangen. Selbst das Ritornell ist ein Kunstgriff, indem es die Melodie des Schlusses angiebt. Hierdurch sucht er uns zu überreden, Osmin habe schon lange im[381] Hause gesungen, eh er heraus kam, und was wir hören, sey bloß die Fortsetzung des Liedchens, das er inwendig anstimmte.

Dieser Osmin, so schläfrig bei Liebe und Freundschaft – was gar nicht in seinem Karakter liegt – wie ganz anders, erscheint er wenn vom Hängen und Spiesen die Rede ist! Wie geräth er da in Feuer und Flammen! – Man vergleiche seine grausamen Arien: »Erst geköpft, dann gehangen etc.« und »Ha! wie will ich triumphiren! etc.« gegen dieses, und der Karakter liegt in grellen Zügen am Tage.

Da das Stück in irgend einem Orte der Türkei spielt, so hatte Mozart Gelegenheit, Janitscharenmusik anzubringen, und wie vortheilhaft er sich derselben bediente, beweißt die Ouverture (C dur)[382] welche, so wie die Parthien Osmins und der Türken Chöre ganz im asiatischen Stile geschrieben sind. Die Wirkung ist außerordentlich. Auf die ersten Takte Piano der Violinen und des Violonzells, vom klimpernden Triangel begleitet, das hereinbrausende Tutti des vollen Orchesters mit Trompeten, Pauken und der Janitscharenmusik, und die bizarren Uebergänge in die Molltöne, ganz im Geschmacke jener rauhen, barbarischen Nazion! Aus diesem Geheul und Donnerschlägen hebt sich eine klagende Melodie empor. – Don Bellmor erscheint unter den Türken, seine Geliebte zu suchen. Dieses giebt das Andante (2/4 C moll). Es ist ganz die erste Arie Donn Bellmors, die der Ouverture folgt; nur daß sie dort in der harten Tonart spielt. Das Solo auf der Hoboe und in der Folge, beim Uebergange ins Allegro, jenes auf der Flöte, mit[383] dem Fagotte sekondirt, heben diesen Satz vorzüglich. Der letzte Allegrosatz ist mit einigen Abänderungen die Wiederholung des erstern.

Die Chöre der Türken bei der Ankunft des Lustschiffes und am Schlusse, athmen einen starken, kühnen Geist, zumal das erstere: »Singt dem großen Bassa Lieder etc.« Auch beim Trinkliede: »Vivat Bacchus etc.« ist die Janitscharenmusik gut angebracht; sie tritt ein, sobald Osmin den ihm vorgesungenen Vers nachsingt.

Und nun das unnachahmlich schöne Quartett zum Schlusse des zweiten Akts. Welche Haltung der Karaktere! welche Beleuchtung der Empfindungen! Und wie richtig gedacht, wie meisterhaft durchgeführt! Man muß es mehrmals hören,[384] muß die Partitur auswendig gelernt haben, wenn man alle seine namen-und zahllosen Schönheiten ganz verstehen will. Ich begnüge mich, nur auf die feine Nuanze in dem kanonischen Satze: »Ich verzeihe, deiner Reue« aufmerksam zu machen.

Blondchen ist ein edles Mädchen, Konstanze ist aber in Hinsicht auf ihre Bildung und Empfindungen weit über sie erhaben. Konstanze vergiebt eher, als Blondchen, und diese scheint blos dem schönen Beispiele ihrer Gebieterin zu folgen, indem sie ihr den angefangenen Kanon abnimmt und ihrem Pedrillo die Hand zur Versöhnung reicht. Im Tutti bei der Stelle: »Nichts fache das Feuer der Eifersucht an!« spielt die Trompete eine sehr vortheilhafte Rolle. Indem sie diopsonisch mit der Singstimme geht, hebt sie den Ausdruck der Stelle gewaltig.[385]

Die Szene vor dem Schlußchore zwischen Bellmor und Konstanze, wo sie sich wechselnd zärtliche Vorwürfe machen, dann trösten und auf ihr Schicksal vorbereiten, ist der Triumph der ganzen Oper, das korrekteste Gemälde Liebender Leiden und erhabenen Duldens, von der traurigen Hoffnung überdämmert, daß ein gleiches Schicksal beide treffen werde.


»Mit dem Beliebten sterben,

Ist seeliges Entzücken.

Mit wonnevollen Blicken

Verläßt man da die Welt.«


Welcher Odem himmlischer Ahnung weht aus Melodie und Begleitung dieser Stelle!

Und nun eine Uebersicht der mannigfaltigen Karaktere, der verschiedenen Situazionen in dieser Oper; eine Parallele zwischen Konstanze und Bellmor mit dem[386] rauhen Osmin: welcher Unterschied! Hier die sanften Töne der zärtlichsten Liebe; dort der Ausbruch wilder, geistloser Brutalität! Und wie schön paaren sich alle diese Widersprüche zum vollendeten Ganzen!

Es ist zu bemerken, daß die Entführung aus dem Serail so wenig als La Clemenza di Tito eine Aehnlichkeit mit den übrigen Kunstprodukten dieses Meisters hat. Nur mit Idomeneo kömmt sie wie ich schon bemerkte; in der Fülle der Gedanken, in der Reichhaltigkeit der Instrumentazion überein. Aber jenes Leben, jene Blüthen, jene üppigen Auswüchse der Fantasie, jene überlustigen Melodien finden sich in keinem Werke, weder nach als vorher, wieder. Es war das Aufschäumen des jungen Geistes, der zum erstenmale seine Kräfte fühlt, die plötzlich hervorgetriebenen Blüthen des jungen Kernstammes[387] nach der wohlthätigen Erschütterung des ersten Frühlingsgewitters. Im Idomeneo versuchte er seine Schwingen; hier flog er kühn zum Olymp. In der Folge zieht sich die emporstrebende Kraft, nachdem sie einmal ihren Flug versucht hat, in die bescheidenen Schranken der Regelmäßigkeit zurück.

Der orientalische Stil, in dem diese Oper geschrieben werden muste, und daß alle seine übrigen Opern nie dieses Lokale wieder erhielten, muß allerdings auch in Betrachtung gezogen werden. Allein es finden sich nirgends in einem andern Werke Reminiszenzen dieser Schreibart.

Die vorzüglichsten Klavierauszüge sind der im Manheimer Kunstverlage, der bei Breitkopf und Härtel und der zu Bonn bei Simrok.

Fußnoten

1 Idomeneo wurde 1780 und die Entführung 1782 komponirt. Man merkt es ihr an, welch ein reiches Werk sie zum Vorgänger hatte. Auch Idomeneo fällt in die Periode seines Liebesumganges, und man sagt, er habe mit dieser Komposizion die Gunst der Eltern seiner Braut, welche ihm anfangs abgeneigt waren, weil er kein gewisses Einkommen hatte, erringen wollen, was ihm auch gelang.


Quelle:
Arnold, Ignaz Ferdinand Cajetan: Mozarts Geist. Erfurt 1803, S. 388.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Feldblumen

Feldblumen

Der junge Wiener Maler Albrecht schreibt im Sommer 1834 neunzehn Briefe an seinen Freund Titus, die er mit den Namen von Feldblumen überschreibt und darin überschwänglich von seiner Liebe zu Angela schwärmt. Bis er diese in den Armen eines anderen findet.

90 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon