Cöln.

[55] Von Musik habe ich an diesem Orte wenig zu sagen. Es fielen während meines Hierseyn keine öffentliche Musiken vor; dennoch besucht' ich die grosse Kirche oder Cathedrale, welche nach dem Model des Doms zu Mayland gebauet ist, aber nur von gemeinen Steinen, und die zu Mayland von weissem Marmor. Diese beyden berühmten Kirchen haben auch darin etwas ähnliches, daß sie so lange Zeit her unvollendet geblieben sind. Der Plan der cölner Kirche ist noch nicht über halb ausgeführt; daher kommt es vielleicht, daß der Chor viel höher scheint, als der zu Mayland. Der Theil, der als ein Zugang zum Chor bestimmt war, ist sehr niedrig, und seine Bogengewölbe bloß von gebrannten Steinen.[55]

Die Orgel in dieser Kirche ist von äusserm Bau die prächtigste und schönste, die ich jemals gesehen habe. Ihre Fronte ist flach, und erstreckt sich von Pfeiler zu Pfeiler über die ganze Breite des Schifs der Kirche. Sie hat drey Columnen oder Fächer von grossen Pfeifen an jeder Seite; in der Mitte hat sie drey Reihen kleinerer übereinander, welche jede allein für eine völlige Fronte einer kleinen Orgel gelten könnte, und unter ihnen ist noch das Rückpositiv.

Herr Westmann heißt der Organist; ich hörte ihn nur den Chor bey der ersten Messe accompagiren, welche eben angegangen war, als ich in die Kirche kam. Das zweyte Amt ward im Canto fermo ohne Instrumente gesungen. In römisch-catholischen Ländern hält es sehr schwer, die rechte Zeit zu treffen, in welcher man eine Orgel probiren, oder einen Organisten hören könnte, weil von sechs Uhr des Morgens bis Mittags, und von zwey Uhr Nachmittags bis fast zum Abend ein Gottesdienst auf den andern folgt; und in der kurzen Zwischenzeit die Kirchenbediente entweder essen, oder doch ihren eignen Verrichtungen nachgehen; so, daß ich selten eine andre Gelegenheit habe finden können, eine Orgel oder einen Organisten zu hören, als während dem Gottesdienste.

In der Cöcilienkirche hörte ich eine Nonne zum unmusikalischen Gesange ihrer Schwestern die Orgel spielen. Ihre Zwischenspiele würden in einer englischen Kirche für zu leicht gehalten seyn: ich entdeckte bald, daß solche nicht extemporirt wären;[56] indessen hatten sie etwas Gefälliges und sie brachte sie gut heraus.

Quelle:
Carl Burney's der Musik Doctors Tagebuch einer Musikalischen Reise. [Bd. II]: Durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien, Hamburg 1773 [Nachdruck: Charles Burney: Tagebuch einer musikalischen Reise. Kassel 2003], S. 55-57.
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