Passau.

[138] Dies ist die kühnste und zugleich die angenehmste Lage, die ich jemals gesehen habe. Die Stadt ist an, für und auf einem steilen Hügel rechter Hand der Donau gebauet. An der andern Seite, gegen über der Stadt, liegt eben ein solcher Hügel, auf dem aber nur einige wenige Häuser stehen.

Passau ist eine grosse Stadt. In der Hauptkirche, einem schönen modernen Gebäude Corinthischer Ordnung, ist eine sehr prächtige Orgel zum Besehen. Ihre Einfassung ist von Bildhauerarbeit und schön vergüldet: sie ist getheilt in zwo Columnen von grossen Pfeifen, an jeder Seite eine, und in der Mitte steht eine kleine völlige Orgel, welche sie mit einander verbindet, und das Fenster frey läßt. Das Werk ist nach der Kunstsprache ein Zwey und Dreissigfüssiges. Als es neulich reparirt wurdeemachte Herr Snetzler einige von den Gesichtpfeifen; inwendig aber ist wenig Verändrung: er machte auch in die kleine Orgel die Vox humana und die Octav dulciana, welches die zwo besten Stimmen im ganzen Werke sind.

An jeder Seite des Chors, in dieser Kirche, findet man gleichfalls eine kleine Orgel, woran die Pfeifen so hell polirt sind, daß ich solche für silbern halten muß. Wahr ists, daß der Mensch, der mir die grosse zeigt, mich versicherte, es wären[138] silberne Pfeifen, aber da er mich auch überreden wollte, die Fronte der grossen Orgel sey von eben dem Metalle, worinn er sich doch gewiß irrte: so kann ich mich auf sein Wort nicht verlassen.

Unter dieser Stadt fallen Rechterhand die Inn, und Linkerhand die Ilz in die Donau. Nachdem die Donau diese beyden Flüsse aufgenommen hat, wird sie immer schneller. Das Ufer an beyden Seiten, hat eine ziemliche Weite von Passau hinunter Berge und Klippen, so hoch als die zu Bristol; die hiesigen aber sind mit schlanken Tannen und Feuren bedeckt, und machen kein so grauenvolles Ansehen, ob sie gleich eben so hoch sind. Diese Felsen benahmen uns schon um drey Uhr des Nachmittags die Sonne. Ungefehr eine Meile unter Passau, bis Engelhardtszell, hat man Oesterreich zur Linken und Bayern zur Rechten, da man dann völlig ins Oesterreichische Gebiete kommt. Hier zu Engelhardtszell ist das Mauthamt, womit man mich angst gemacht hatte, und dem ich mich mit Zittern näherte; mein Koffer ward aber nicht geöfnet, und nichts durchsucht, als mein Schreibkästchen, den ich auf Begehren der Beamten aufschliessen mußte. Indessen ward mein Koffer versiegelt, und hiermit hofte ich bis Wien durchzukommen, ohne weitere Plage zu haben, da ich dann alles zu bezahlen gedachte.

Bis soweit fließt die Donau zwischen zwey hohen Bergen, und ist zuweilen so zusammen gepreßt, daß sie schmäler wird, als die Themse bey Mortlake. Der Boden ist oft so abschüssig, daß man[139] auf achthundert bis tausend Schritte weit, das Wasser nicht mehr sehen kann, und zuweilen ist das Brausen des Wassers gegen die Felsen so heftig laut, als eines Cataracts.

Sobald man ins Oesterreichsche kommt, ist der Werth des Geldes durchgängig um ein Sechstel herunter gesetzt, so, daß zwölf bayerische Kreuzer nur zehn gelten, u.s.w.

Wir fuhren an acht Meilen zwischen zwey Bergen, und lagen die Nacht stille an einem armseligen Orte, wo man nicht die geringste Erfrischung bekommen konnte, ob ich mir gleich die Hofnung gemacht hatte, mich auf zwey Tage zu versorgen, weil ich wußte, daß solche als ein Freytag und Sonnabend, bey den österreichischen Catholiken strenge Festtäge wären.

Ich hatte nun die Ritzen in meiner Cajüte mit Splittern und Heu vermacht; hatte einen neuen Riegel an meiner Thüre befestigt, mich so ziemlich mit meiner schmutzinen Decke vertragen, und eine hölzerne Klemmer zum Lichtschneutzen gemacht, aber, leider! fehlte das Wesentliche. Dies waren blosse äussere Bedürfnisse, und an dem Innerlichen mangelte es mir. Der letzte Bissen meiner kalten Küche war so lebendig geworden, daß ichs in die Donau werfen mußte, so heißhungrig ich war; und Brodt, auch das fehlte! Hier war nichts zu haben als Pumpernickel, welches so schwarz und dürre ist, daß zwey Sinnen zugleich dafür ekelt.[140]

Freytags Morgen den 28sten August. Der Fluß läuft noch immer durch eben dasselbe waldreiche, wilde und romantische Land, welches für das Auge eines durchreisenden Fremden angenehm genug ist, den Einwohnern aber nichts liefert, als Brennholz. Auf zehn Meilen bekommt man weder ein Kornfeld noch eine Wiese zu sehen. Schafen, Ochsen, Kälber und Schweine sind in diesem Lande Fremdlinge. Ich fragte, was hinter diesen Bergen wäre, und erhielt die Antwort, dicke Wälder. Bey Aschach wird das Land ein wenig wirthbarer.

Was hier für Wasser zusammen fließt! Ein Fluß stürzt sich nach dem andern in die Donau, die dadurch nicht sowohl breiter als tiefer wird; es gehn aber auch wieder kleine Flüsse von ihr aus, und in dieser Welt von Wassern liegen viele Inseln in der Mitte und an den Seiten. Ehe wir nach Linz kamen, zeigte sich eine Strecke flaches Haideland, und hohe mit Bäumen bedeckte Berge in der Ferne.

Quelle:
Carl Burney's der Musik Doctors Tagebuch einer Musikalischen Reise. [Bd. II]: Durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien, Hamburg 1773 [Nachdruck: Charles Burney: Tagebuch einer musikalischen Reise. Kassel 2003], S. 138-141.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tagebuch einer musikalischen Reise
Tagebuch einer musikalischen Reise: Durch Frankreich und Italien, durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien, durch Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Holland 1770-1772