Ulm.

[83] Von der Schönheit dieser alten Stadt hab' ich eben nicht viel zu sagen. Ihr grosses Münster ist indessen eins der grössesten, höhesten und am besten unterhaltenen Gebäude, die ich jemals gesehen habe. Ihre Orgel ist von den Reisenden wegen ihrer Grösse und Güte so sehr gerühmt, daß ich sehr neugierig war, sie zu sehen und zu probiren. Ich fand aber nicht, was ich erwartete; denn sie war weder so alt, noch so groß, noch so stark an Stimmen als ich dachte. Sie war erst vor dreissig Jahren erbauet. Der Meister, Herr Schmahl, lebt noch, und er und sein Sohn, die eben dabey waren, sie rein zu machen, waren so höflich, mir den ganzen Aufsatz davon zu geben.

Die Gallerie dieses Instruments ist mit den Zierrathen hundert und funfzig Fuß hoch. Sie enthält fünf und vierzig Stimmen, drey Claviere und ein Pedal. Die grössesten Pfeifen sind sechszehn Fuß lang, und die ganze Anzahl der Pfeifen beläuft sich auf 3442.[83]

Unter den Soloregistern scheint mir die Flöte die beste zu seyn. Das Rohrwerk ist recht artig, aber es fehlt ein Schweller.

Der gegenwärtige Organist soll eben kein grosser Spieler seyn, und so viel ich in Erfahrung bringen konnte, soll diese Stadt itzt keinen grossen Musikkünstler auf irgend einem Instrument aufzuweisen haben.

(Ulm used to be famous for its company of Minnesängers, or Laudisti, like that at Florence; but it now no longer subsists. Siehe hierüber die Anmerkungen und Zusätze.)

Mein nächster und wohlfeilster Weg von hier nach Wien wäre die Donau hinunter gewesen. Allein ich konnte der Begierde nicht widestehen, Augsburg und München zu besuchen. Ich hätte mirs nicht verzeihen können, ein Paar Städten vorbey zu reisen, die unter die Ersten von Deutschland gehören. Ich beschloß also, nicht die Donau hinunter, sondern über dieselbe zu gehen, nach

Quelle:
Carl Burney's der Musik Doctors Tagebuch einer Musikalischen Reise. [Bd. II]: Durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien, Hamburg 1773 [Nachdruck: Charles Burney: Tagebuch einer musikalischen Reise. Kassel 2003], S. 83-84.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tagebuch einer musikalischen Reise
Tagebuch einer musikalischen Reise: Durch Frankreich und Italien, durch Flandern, die Niederlande und am Rhein bis Wien, durch Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Holland 1770-1772